Im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz hat die ARE Austrian Real Estate ein neues Bezirksgericht in Seekirchen am Wallersee errichtet. Nach rund eineinhalb Jahren Bauzeit vereint das überwiegend in Ziegelmassivbauweise errichtete Bürogebäude jetzt die Gerichte Thalgau, Neumarkt und Oberndorf an einem Standort.
Das Gerichtsgebäude, geplant und umgesetzt vom Wiener Architekturbüro g.o.y.a., ist ein klares Statement für die Modernisierung der österreichischen Gerichtsbarkeit – ganz im Sinne der Zielsetzungen, die Justizministerin Alma Zadic in Ihrer „Initiative Justiz 3.0“ definiert hat: „Meine Vision ist eine bürgerfreundliche, effiziente und moderne Justiz.“
Das neue Gerichtsgebäude macht diese Zielsetzung in vielerlei Hinsicht spür- und sichtbar – Baukörper, Raumkonzept und Materialauswahl sprechen eine klare Sprache. Hier ist ein Gerichtsgebäude entstanden, das sich so transparent wie möglich und so zurückgezogen, wie für die sensible Thematik der Rechtsprechung notwendig, präsentiert.
Der Baukörper
Das neue Bezirksgericht liegt an einem wichtigen städtebaulichen Kreuzungspunkt direkt am Seekirchner Stadtpark. Das Team des Architekturbüros g.o.y.a. hat hierfür einen kompakten viergeschossigen Baukörper entworfen, der die kubische Form der umliegenden Wohngebäude aufnimmt und sich optisch in 2 Zonen präsentiert: die teilweise großzügig verglaste und klar zonierte Erdgeschossebene bildet das Fundament für die darüberliegenden Geschosse mit ihrer markanten Lochfassade.
Die Zonierung des Erdgeschosses ist bereits an der Fassade ablesbar: Während der weiträumig verglaste Servicebereich im Süden viel Transparenz und Bürger:innennähe ausstrahlt, ist der Nordteil mit den Verhandlungssälen mit vorgesetzten Holzlamellen sichtgeschützt und somit von der Öffentlichkeit abgeschirmt. Der Eingangsbereich gibt über ein eindrucksvolles Atrium den Blick auf alle Geschosse frei.
Das Raumkonzept
Die gesamte Gebäudeerschließung ist klar darauf ausgerichtet, die täglichen Abläufe eines Bezirksgerichts zu optimieren. Dies wird durch die vertikale Erschließung über zwei Stiegenhäuser sowie die geschossweise, ringförmige Erschließung erreicht, die kurze Wege und eine gute Übersichtlichkeit gewährleisten.
Die Anordnung und Abfolge der Räumlichkeiten wurden entsprechend den Vorgaben und Arbeitsabläufen gestaltet. Beispielsweise befinden sich die Räume für die Geschäftsabteilungen zwischen den Richter:innen- bzw. Rechtspfleger:innen, während die Räume für Praktikant:innen zwischen zwei Richter:innen platziert sind, um eine flexible Zuordnung zu ermöglichen.
Bei der Gestaltung der Wartezonen stand die Aufenthaltsqualität im Zentrum – natürliches Licht und Sichtbezüge nach außen schließen an die Erschließungswege an.
„Die ARE hat mit dem neuen Bezirksgericht einen modernen Gerichtsstandort geschaffen, der optimal auf die Bedürfnisse der Nutzer:innen zugeschnitten ist. Während der Parteienverkehr und Verhandlungen im Erdgeschoß stattfinden, arbeiten die Mitarbeiter:innen in den drei Obergeschoßen. Das Gebäude wurde in nachhaltiger Ziegelmassivbauweise errichtet und schont auch im Betrieb die Umwelt, indem über Biomasse-Nahwärme geheizt und ein Teil des Stromes mit einer Photovoltaikanlage selbst erzeugt wird“, sagt ARE CEO Hans-Peter Weiss.
Das Baumaterial
Das neue Bezirksgericht steht auf einem soliden Fundament aus Stahlbeton, das auch für den inneren Kern des Gebäudes verwendet wurde. Die tragende Grundstruktur der oberen Geschosse besteht hingegen aus 50 cm starken gedämmten Ziegelwänden, während nicht tragende Innenwände mit Leichtbauwänden umgesetzt wurden.
Bei der Gestaltung der Fassade und der Innenräume spielen drei Baustoffe eine wichtige Rolle: Sichtbeton, Putz und Holz. Diese Materialien prägen das gesamte Erscheinungsbild des Gebäudes. Besonders beeindruckend ist die markante Fassade, die mit gerilltem Dickschichtputz und massiven Sichtbetonfaschen im Obergeschoss umgesetzt wurde.
Roher Sichtbeton findet sich auch im massiven, zentralen Sanitär-Kern wieder. Die Wände der Verhandlungssäle wurden mit sandgestrahltem Sichtbeton gestaltet, die Erschließungsflächen mit geschliffenem Betonestrich ausgeführt. Im Kontrast dazu sind die Arbeitsräume mit wohnlichen Holzböden ausgestattet, die zu einer positiven Arbeitsatmosphäre beitragen.
Die ökologischen Aspekte
Das Bezirksgericht Seekirchen entspricht den zeitgemäßen Ansprüchen an ökologisch sinnvolles Bauen. Die Kompaktheit des Baukörpers und der Einsatz eines hoch dämmenden Ziegels, sowie der bewusste – sehr reduzierte – Einsatz von großen Glasflächen sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen.
Viel Tageslicht und Frischluft gibt es trotzdem – über die integrierte Nachtlüftung im Atrium kann das Raumklima gezielt geregelt und das Gebäude in den Sommermonaten auf natürliche und umweltschonende Weise ohne Einsatz von Energie gekühlt werden.
Die Energieversorgung erfolgt über den Anschluss an das Salzburger Nahwärmenetz und eine eigene Photovoltaik-Anlage (38 kWp) am Dach des Gerichtsgebäudes produziert einen Teil des Strombedarfes.
Projektbeteiligte
- Bauherrschaft: ARE Wien-West
- Architektur: g.o.y.a Ziviltechniker GmbH
- Statik: Harrer & Harrer ZT GmbH
- Bauphysik: AMiP – Industrial Engineering GmbH
- Haustechnik-Planung: KWI Engineers GmbH
- Brandschutzplanung: IBS – Technisches Büro GmbH
- klimaaktiv Zertifizierung: AMiP – Industrial Engineering GmbH