Im Rahmen von klimaaktiv Gebäude finden in Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden sogenannte „Öffentliche Vor-Ort-Sanierungsberatungen“ statt. Ziel ist zum einen, die Sanierungsrate im Wohnhaus-Bereich zu steigern. Zum anderen sollen dadurch in den Kommunen Communities of Practice gebildet werden – also Gemeinschaften von Lernenden, die sich gegenseitig in Sachen Sanierung und Dekarbonisierung unterstützen.
Wenn Ihr Haus ein Auto wäre …
In der Südtiroler-Siedlung in Mödling stand ein 1932 erbautes Haus im Mittelpunkt der Beratung, die von Martin Richtarz durchgeführt wurde. Was tun, wenn die Gastherme erst fünf Jahre alt ist, man aber lieber früher als später raus aus der fossilen Heizung will? Sich am besten zuerst auf andere Baustellen konzentrieren als da wären: ein Dach, das sich dem Ende seiner Lebensdauer nähert, und Fassaden, die noch Dämmung brauchen. Denn: Sanieren und Dekarbonisieren ist nichts, das von heute auf morgen realisiert werden kann. In den Vor-Ort-Sanierungsberatungen öffnet sich meist ein zeitlicher Horizont zwischen fünf und fünfzehn Jahren.
So auch im Ortsteil Selpritsch in Velden, wo ein 1964 erbautes Mehrfamilienhaus auf Beratung wartete. Weil die Ölheizung es nicht schafft, das ganze ungedämmte Haus warm zu halten, wird im zugebauten obersten Stock mit einer Infrarot-Heizung nachgeholfen, im Erdgeschoß mit einem Kachelofen. Dementsprechend hoch sind die Kosten. „Das Haus entspricht einem Auto, das 13 Liter pro 100 km braucht“, erklärte Energieberaterin Edith Jäger anschaulich. Auch hier ist Dämmen die Maßnahme Nr. 1 – zusätzlich zu den Fassaden würde sich die oberste Geschoßdecke über eine zumindest 30 cm dicke Dämmung freuen. Da die Kellerräume recht hoch sind, lässt sich auch die Kellerdecke dämmen. Alles zusammen bringt den Bewohner:innen des Hauses bereits eine 50%-Ersparnis bei den Energiekosten.
Heizungstausch – gut überlegt
Und was ist jetzt mit der Gastherme in Mödling und der Ölheizung in Velden? Wann können die getauscht werden? In jedem Fall erst nach dem Dämmen! Wer zuerst die Heizung tauscht und dann dämmt, hat in Folge eine zu groß dimensionierte Heizung. Und das mindert den Wirkungsgrad und kostet Geld.
In der Südtiroler-Siedlung in Mödling spricht alles für die Installation einer Wärmepumpe in 10 bis 15 Jahren. Pellets sind hier keine Alternative, es fehlt an Lagerräumlichkeiten. Eine Fußbodenheizung braucht das Haus aus den 30er Jahren für die Wärmepumpe übrigens nicht. Die Verteilung der Wärme schaffen auch die Radiatoren. Beim Mehrfamilienhaus in Velden ist die Lage komplizierter. Die Ölheizung hat zwar bald 30 Jahre auf dem Buckel. Die Haus-Eigentümer:innen zögern aber mit dem Tausch, da noch unklar ist, ob die Siedlung nicht in ein paar Jahren an die Fernwärme angeschlossen wird. Die Energieberaterin riet hier zu einer Pelletsheizung, da ausreichend Lagerraum zur Verfügung steht. Die Installation einer Wärmepumpe wäre in diesem Haus mit größeren Kosten verbunden, da die bestehenden Radiatoren dafür getauscht werden müssten.
Wie immer bei den Vor-Ort-Sanierungsberatungen entspann sich im Lauf der Nachmittage in Mödling und Velden ein reger Dialog zwischen Bürger:innen, Gemeinde-Vertreter:innen und Energieberater:innen. Das Besondere dabei: Direkt vor Ort, neben einem konkreten Haus zu sitzen und sich auszutauschen, bringt automatisch eine sehr „faktische Atmosphäre“ mit sich. Das Wissen der Energieberater:innen zur Umsetzung und Finanzierung/Förderung von einzelnen Sanierungsmaßnahmen wird dabei von allen Anwesenden immer als sehr hilfreich erlebt. Und die vielleicht wichtigste Botschaft bei den Vor-Ort-Sanierungsberatungen ist diese: Du bist nicht allein!
Viele andere in der Gemeinde stellen sich gerade die gleichen Fragen wie du. Reden wir also miteinander, laden wir uns Expert:innen ein und bewältigen wir Sanierungsherausforderungen gemeinsam.
Die Gemeinde-Vertreter von Velden waren von dem Format jedenfalls so angetan, dass sie nun eigenständig weitere Vor-Ort-Sanierungsberatungen durchführen werden.