Rückblick klimaaktiv Workshop "Energieberatung im Geschoßwohnbau"

Die Energieberatung kann einen wichtigen Impuls zur Sanierung und zur Errichtung von Anlagen auf Basis erneuerbarer Energie geben. Der Workshop vermittelte Energieberater:innen die dafür nötigen Kenntnisse der rechtlichen Rahmenbedingungen, zeigte die technischen Möglichkeiten des Umstiegs auf erneuerbare Energie auf und stellte konkrete Modelle und Umsetzungsbeispiele vor.

Im Geschoßwohnbau dauert es oft länger, um die notwendige Mehrheit für thermische Sanierungen und die Heizungsumstellung auf erneuerbare Energieträger unter den Eigentümer:innen zu erzielen. Eine wichtige Stütze auf diesem Weg kann eine firmenunabhängige Energieberatung sein. Mit dem Workshop am 18.6.2024 in Salzburg und verschiedenen Tools und Informationsmaterialien unterstützt klimaaktiv die Beraterinnen und Berater in ihrer Tätigkeit.

Präsentationsunterlagen: Einführung und Programm

Rechtliche Grundlagen

Zu den rechtlichen Grundlagen wurde ein eigener Ratgeber erstellt. Im Workshop ist Rechtsanwalt Dr. Thomas Kaps im Detail auf die Erfordernisse der Beschlussfassung von Sanierungsentscheidungen eingegangen:

Handelt es sich nur um Maßnahmen von einzelnen Eigentümer:innen, wie das z.B. bei der Installation eines PV-Balkonkraftwerks der Fall ist, muss die Zustimmung aller anderen Eigentümer:innen eingeholt werden. Beim Bezirksgericht kann die Ersetzung fehlender Zustimmungen beantragt werden. Diesem Antrag kann stattgegeben werden, wenn die Maßnahme auf einem wichtigen Interesse beruht oder verkehrsüblich ist. Weitere typische individuelle Maßnahmen sind beispielsweise die Zentralisierung dezentraler Heizsysteme, die Errichtung von Klimageräten und der individuelle Wohnungs-Fenstertausch.

Bestimmte individuelle Maßnahmen wie z.B. eine E-Ladestation zum Langsamladen, Beschattungseinrichtungen oder Solaranlagen auf einem Reihenhaus oder Einzelgebäude gelten als privilegiert, wenn sie nicht das äußere Erscheinungsbild beeinträchtigen. Für diese Maßnahmen gilt die Zustimmung als erteilt, falls kein expliziter Widerspruch einer Eigentümerin oder einem Eigentümer erfolgt. Voraussetzung ist, dass alle Eigentümer:innen über die Maßnahme informiert worden sind, die Maßnahme verständlich beschrieben wurde und auf die Rechtsfolgen eines unterlassenen Widerspruchs hingewiesen worden ist.

Betrifft die Maßnahme hingegen das gesamte Gebäude und ist sie gemeinschaftsbezogen, ist sie Teil der Verwaltung. Erhaltungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Behebung ernster Schäden im vorgegebenen Finanzrahmen bedürfen keiner Beschlüsse, sie sind Teil der ordentlichen Verwaltung. Für sie besteht unter Umständen sogar eine Umsetzungspflicht. Für alle anderen Maßnahmen braucht es Mehrheitsbeschlüsse nach den Besitzanteilen oder eine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die zumindest ein Drittel aller Besitzanteile repräsentieren muss. Die Beschlussfassung kann auf einer Hausversammlung oder über einen Umlaufbeschluss zustande kommen. Thermische Sanierungen, der Tausch aller Fenster, die Umstellung zentraler Heizsysteme auf erneuerbare Energieträger, die Errichtung einer gemeinschaftlichen Photovoltaikanlage sind typische Beispiele für Beschlüsse der außerordentlichen Verwaltung.

Präsentationsunterlagen von Thomas Kaps

Gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen

Auf den Dächern der Wohnhausanlagen besteht noch sehr großes Potenzial für Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen. Fionn Herold, BSc, BEd, MA vom Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnung (SIR) erläuterte die Voraussetzungen für eine gemeinschaftliche Erzeugungsanlage (GEA): Sie darf keine Teile des öffentlichen Stromnetzes zur Aufteilung des gemeinschaftlich erzeugten Stroms auf mehrere Verbrauchsanlagen, die an einer gemeinsamen Hauptleitung angeschlossen sind, benutzen. Jede an der PV-Anlage angeschlossene Partei hat die freie Wahl, den PV-Strom zu nutzen und am Modell teilzunehmen. Gleichzeitig hat die GEA keinen Einfluss auf die bestehenden Stromverträge, die beibehalten oder auch gewechselt werden können, wann immer es die Kündigungsfrist erlaubt. Die Teilnehmenden profitieren aber vom günstigeren PV-Strom, weil Teile der Netzentgelte, Abgaben und Steuern entfallen.

Die Gründung einer eigenen Rechtspersönlichkeit für die Errichtung und den Betrieb der GEA ist nicht erforderlich. Die Nennung eines Anlagenverantwortlichen und die Erstellung eines Errichtungs- und eines Betriebsvertrags sind aber notwendig.

Es gibt mehrere Betriebs- und Finanzierungsmodelle für die GEA: Entweder wird sie als Teil der Gebäudeinfrastruktur von der Hausverwaltung betrieben oder von allen oder einzelnen Wohnungseigentümer:innen. Die Finanzierung erfolgt in diesem Fall aus Rücklagen oder über die Beiträge der Beteiligten. Es kann auch ein Verein gegründet werden, der die GEA betreibt und für sie Pacht an alle Eigentümer:innen zahlt. Eine andere Möglichkeit ist auch, den Betrieb auf einen externen Dienstleister, z.B. in Form eines Contracting-Modells, auszulagern.

Für die Abrechnung des PV-Stroms werden die Erzeugungs- und synchronen (dynamischer Tarif) oder fixen anteiligen (statisches Modell) Verbrauchsdaten der Teilnehmenden vom Netzbetreiber zur Verfügung gestellt. Die Abrechnung kann auch über einen externen Dienstleister erfolgen. Der Bezugstarif kann frei vom Betreiber vereinbart oder festgelegt werden. Eine Differenzierung der Tarifgestaltung nach Eigentümer:innen, Mieterinnen und Investor:innen ist möglich. 

Wichtige vertiefende Informationen, FAQs, Musterverträge und Vereinbarungen sind auf der Website der Österreichischen Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften energiegemeinschaften.gv.at zu finden.

Präsentationsunterlagen von Fionn Herold

Technischen Möglichkeiten der Heizungsumstellung

DI Felix Wimmer vom Institute of Building Research & Innovation ZT-GmbH (IBRI) stellte Fernwärme, Pelletskessel, zentrale Luft- und Erdwärmepumpen, dezentrale Sole-Wärmepumpen und dezentrale Klimasplitgeräte sowie dezentrale Infrarotpaneele jeweils mit dezentralen elektrischen Warmwasserboilern als Umstiegsalternative zu Gasheizungen vor. Als erfolgreiche und in Wien von der der Sozialbau AG praktizierte Zwischenlösung ist auch die Errichtung einer zentralen Gemeinschaftstherme am Dachboden, an die die dezentralen Wohnungsstationen, die die Gasthermen ersetzen, über den Rauchfang angeschlossen werden. In einem zweiten Schritt kann dann, falls eine genügende Anzahl an Wohnungen angeschlossen ist, der Umstieg auf eine Luftwärmepumpe erfolgen. Prinzipiell steht technisch dem Umstieg auf erneuerbare Energieträger nichts im Wege, der begrenzende Faktor sind in erster Linie die Kosten.

Präsentationsunterlagen von Felix Wimmer

Praxisbeispiel aus Salzburg

Oskar Mair am Tinkhof, MSc vom SIR präsentierte anschließend ein Sanierungsprojekt in Hallein mit Umstieg von großteils Einzelöfen auf Fernwärme. Die Wohnhausanlage mit ursprünglich 11 Wohnungen mit einem Heizenergieverbrauch von 145 kWh/m²NGFa wurde nach vielen Gesprächen durch den Einbau von 7 zusätzlichen Wohneinheiten barrierefrei nachverdichtet und auf Niedrigenergiestandard gebracht. Das Besondere am Projekt ist, dass die Sanierung im bewohnten Zustand dank einer eigens entwickelten seriellen Multifunktionsfassade erfolgen konnte.

Präsentationsunterlagen von Oskar Mair am Tinkhof

klimaaktiv Moderationskarten für Gespräche zu Sanierung und Heizungsumstellung

DI Dr. Peter Holzer vom IBRI stellte die klimaaktiv Moderationskarten vor, die gezielt als Methode eingesetzt werden können, um Eigentümerinnen ins Gespräch über Sanierungsvarianten zu bringen. Sie können aber auch zu Schulungszwecken oder für interdiziplinäre Planungsgespräche genutzt werden. Im Herbst soll eine Evaluation des bisherigen Einsatzes erfolgen.

Präsentationsunterlagen von Peter Holzer

Handlungsanleitung und gute Argumente

Zum Abschluss gab es Handlungsanleitungen von Mag. Peter Haftner von der NÖ Energie- und Umweltagentur (eNu) für eine erfolgreiche Energieberatung. Wichtig ist, schon bei der Aufnahme der Beratungsanfrage darauf zu achten, dass die Beratung nur von entscheidungsbefugten Eigentümer:innen oder der Hausverwaltung angefordert werden kann. Da Vertrauen eine ganz zentrale Rolle bei Sanierungsentschedungen spielen, sollte die Hausverwaltung auch immer über Beratungsanforderungen informiert sein. Für die Übermittlung eines Energieausweises und von Heizkostenabrechnungen ist zumeist jedenfalls die Mitarbeit der Hausverwaltung erforderlich.

Der Energieausweis eignet sich auch hervorragend für eine erste Schätzung des Sanierungspotenzials und der Amortisation von Sanierungsmaßnahmen. Dafür erforderlich ist die Flächen- und U-Wertaufstellung der einzelnen Bauteile der Gebäudehülle. Ein weiterer wichtiger Wert ist die Kompaktheit des Gebäudes (lc-Wert), mit dessen Hilfe der förderungstechnisch relevante Zielwert für die Sanierung ermittelt werden kann. Wird die umfassende Sanierung im kllimaaktiv Standard angestrebt, ist zu überlegen, ob auch eine klimaaktiv Deklaration leicht realisierbar wäre und eine zusätzliche Motivation bringen könnte.

Zentral für die Bestandsaufnahme ist die Gebäudehülle und das Heiz- und Wärmeabgabesystem. Zusätzlich können auch andere Faktoren berücksichtigt werden wie z.B. Barrrierefreiheit, Grünraumgestaltung und Fahrradabstellplätze. Die Beratungssituation sollte genützt werden, um unterschiedliche Interessenlagen, Bedürfnisse und Sichtweisen der Hausverwaltung oder innerhalb der Eigentümer:innengemeinschaft zu erfragen.

Wesentlich ist auch eine gute Dokumentation der Energieberatung und der Bestandsaufnahme. Auf gute Lesbarkeit und Verständlichkeit ist zu achten sowie auf klar herausgearbeitete Maßnahmenempfehlungen.

Zentral für positive Sanierungsentscheidungen ist die Überzeugung vom Sanierungsbedarf, das Vorhandensein finanzieller Möglichkeiten und dass der aufzubringende Sanierungsbeitrag zumutbar und leistbar. Gegen Sanierung sprechen häufig der Unwillen, einen Kredit aufzunehmen, wahrgenommene ungleiche Vorteilsverteilung und befürchtete Nachteile durch die Sanierung. Das wichtigste Argument für eine Entscheidung ist die absolute Höhe der Kosten und Einsparungen.

Hilfreich in der Kommunikation sind Fotos zur Dokumentation von Schwächen am Gebäude, Visualisierungen möglicher Verbesserungen, Beispiele erfolgreicher Sanierung, das Würdigen von konstruktiven Beiträgen engagierter Eigentümer:innen und das Entschärfen kritischer Beiträge durch Nachfragen.

Folgende Argumente sollte man parat haben, wenn entsprechende Einwände gegen das Sanieren vorgebracht werden: EPS-Fassadendämmung spart ihren Inhalt an „grauer Energie" binnen 1 – max. 6 Jahren wieder ein, Pellets sind CO2-neutral, weil derzeit in Österreich mehr Wald zuwächst als Holz entnommen wird. Entnommenes Holz bewirkt auch eine Positivbilanz, indem es fossile Produkte substituiert. Folgende Argumente sprechen am meisten für die Sanierung: 

  • Energiekosten sparen,
  • Energieverbrauch senken,
  • gutes Kosten-Nutzenverhältnis einer Sanierung,
  • Investition auf lange Dauer und
  • Werterhalt bzw. Wertsteigerung des Gebäudes.

Präsentationsunterlagen von Peter Haftner

Weiter Informationsmaterialien bietet die klimaaktiv Toolbox Sanierung und Heizungstausch.

Veröffentlicht am 24.06.2024

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