Neubau Bundesschule Aspern, Wien

Sie scheint den kühnsten Träumen fortschrittlicher Pädagoginnen und Pädagogen entsprungen: Die Bundesschule Aspern bietet ein Umfeld, in dem sich modernste Bildungskonzepte ebenso ungehindert entfalten können wie die Persönlichkeiten der Kinder und Jugendlichen.

  • Bauherrschaft: BIG Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
  • Architektur: fasch&fuchs.architekten ZT-gmbh
  • Fachplanung: EXIKON arc&dev (Bauphysik), Werkraum Wien Ingenieure ZT GmbH (Tragwerksplanung), Thermo Projekt GmbH (Haustechnik), Pflanz! (Landschaftsarchitektur)

Die weiße Membran, die sich an drei Seiten um das Gebäude legt, verrät im metaphorischen Sinn sehr viel über die Philosophie, die der Schule zugrunde liegt: Je nach Lichtsituation wirkt das Gewebe entweder wie ein blütenweißer schützender Mantel oder lässt luftig und transluzent die Konstruktion dahinter erahnen. Es ist kein starrer Panzer, der nach außen abschottet, sondern eine schmiegsame Haut, die Durchlässigkeit zwischen dem Schulbetrieb und dem Quartier draußen symbolisiert. Teil der Stadt und nicht ein Teil in der Stadt ist die Schule. Sie besitzt keinen eigenen Vorplatz: So groß könnte der gar nicht sein, dass alle 1100 Schülerinnen und Schüler Platz hätten. Der Schulplatz ist in gewisser Weise der ganze Maria-Trapp-Platz, der wichtigste Markt- und Veranstaltungsplatz der Seestadt. Von hier saugt die Schule förmlich ihr Publikum ins Innere, um es mit einem alle Sinne inspirierenden räumlichen Kosmos zu empfangen.

Inspirierende Lern- und Lebenswelt

Hemma Fasch, Jakob Fuchs und Fred Hofbauer haben ein vom Bildungsministerium und der BIG gewünschtes neuartiges Raum- und Funktionsprogramm in einer Art und Weise umgesetzt, dass einen die Sehnsucht beschleicht, selbst wieder in die Schule gehen zu dürfen. Nichts, rein gar nichts hat dieses Gebäude mit gewohnten Bildern von Schule zu tun. Es gelang nicht nur die in der Wettbewerbsauslobung gewünschte Arbeits- und Lernlandschaft, „die individuelle Förderung, Arbeiten in unterschiedlichen Gruppengrößen, selbstorganisiertes und offenes Lernen sowie Projektunterricht“ ermöglicht, sondern darüber hinaus ein inspirierender Ort, der zukunftsfroh macht. Schon in der Aula, einem großen lichtdurchfluteten Atrium, flankiert von mit Brücken verbundenen Galerien und signalroten Treppen – eine davon als breite „Lesetreppe“ ausgebildet –, offenbart sich, dass in dieser Schule die Möglichkeitsräume groß sind.

Die zahlreichen Sicht- und Wegverbindungen zelebrieren das gerade in einer Schule dieser Dimension wichtige Erlebbarmachen von Gemeinschaft. Viel Glas, oft raumhoch, Deckenuntersichten aus Beton, zarte Stahlnetze, offen geführte Leitungen, Holzoberflächen und Linoleum fügen sich zu einem Organismus, bei dem jeder Bestandteil seinen Sinn hat.

Licht, Luft und Farbe

Eine Hauptrolle spielt das Tageslicht, das von allen Seiten dank eines geschickt gesetzten Zusammenspiels opaker und transparenter Flächen das Gebäude bis in den letzten Winkel durchdringt. „Untertags wird kaum Kunstlicht benötigt“, weiß BIG-Projektleiter Gottfried Flicker zu berichten und zeigt sich stolz darauf, dass die Verbindung zwischen Architektur und Nachhaltigkeit sehr gut gelungen ist. Ohne nennenswerte Energiekosten kommt die Kühlung des Gebäudes aus, die mittels Brunnenwasser und konsequenter Bauteilaktivierung geschieht und selbst an hochsommerlichen Tagen für ein angenehmes Raumklima sorgt. Bei der Auswahl der Baumaterialien wurde auf emissionsarme Produkte Wert gelegt und darauf, dass sie in ihrer spezifischen Materialität zur Wirkung kommen, was für visuelle und haptische Authentizität sorgt.

Nach sehr bewussten, künstlerischen Überlegungen von Gustav Deutsch und Hanna Schimek kam die Farbpalette der Schule zustande. Sie übernimmt zugleich Aufgaben eines visuellen Orientierungssystems und unterstreicht sowohl die architektonische Struktur als auch die ihr zugrunde liegenden pädagogischen Konzepte.

An das bambusbepflanzte Schulwäldchen im Herzen des Gebäudes sind im Erdgeschoß Mensa, Bibliothek und Mehrzweckraum angelagert. Jederzeit Zugang ins Freie und an die frische Luft zu gewährleisten, war ein wichtiges Kriterium bei der Konzeption der Obergeschoße. Im Ersten sind die Bildungseinheiten der Unterstufe in Clustern gebündelt: Vier Unterrichtsräume sind um eine offene Lernzone gruppiert und können dank Schiebewänden mit dieser verbunden werden. Eine Ebene darüber ist die Oberstufe im Departmentsystem organisiert. Nicht die Lehrerinnen und Lehrer kommen zu den Klassen, sondern umgekehrt wandern die Schülerinnen und Schüler zum Unterricht in die einzelnen Departments. Es gibt daher keine Stammklassen, sondern sogenannte Homebases, in denen die Jugendlichen die Zeit zwischen und außerhalb der Unterrichtstunden frei gestalten können. Wie auch die Unterrichtsräume und Lernzonen der Cluster darunter haben sie direkten Zugang auf die gebäudebreiten Terrassen. „Die unglaubliche Flora, die wir hier vorgefunden haben, wollten wir in einer Ruderalbepflanzung beibehalten“, erklärt Architektin Hemma Fasch. Und so entstand der Schule vorgelagert eine abwechslungsreiche terrassierte Stadtwildnis auf mehreren Ebenen, die in die unverbaute Weite zu den ebenerdigen Freianlagen und dem anschließenden Hannah-Arendt-Park übergeht, und so die Schule eins werden lässt mit der Stadtlandschaft.

Es ist die perfekte Schule – sowohl für die wachsende Seestadt Aspern als auch die junge
„Generation Klima“, die problembewusst, aber nicht spaßbefreit angetreten ist, die Klimawende herbeizuführen.

Fakten

  • Gebäudetyp: Neubau eines Bildungsgebäudes
  • Fertigstellung: 2017
  • Konditionierte BGF: 16.208 m²
  • Energiekennzahlen (nach OIB 2011):
    Heizwärmebedarf 4,78 kWh/m3BGFa
    Primärenergiebedarf 177,40 kWh/m²BGFa
    CO2-Emissionen 27,82 kg/m²BGFa
  • Versorgungstechnik: Fernwärme Wien, Bauteilaktivierung, kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung, Free Cooling durch Kühlung der Zuluft über Brunnenwasser
  • Besonderes: Raumgruppen in Clustern, vielfältige Angebote für Lernen und Erholung im Freien, artenreiche Bepflanzung mit Obstbäumen
  • Baustoffe: Massivbau mit zertifizierten Baustoffen, umfassendes Produktmanagement, PVC-freie Baustoffe
  • Qualitätssicherung: Blower Door Test, Energieverbrauchsmonitoring, Messung der Innenraumluftqualität
  • Gebäudebewertung: klimaaktiv Gold, ÖGNB Gold
Veröffentlicht am 30.09.2019