Bereits im Februar 2012 hat die Europäische Union (EU) eine Politikstrategie Bioökonomie vorgelegt, mit der der Weg zu einer innovativen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Gesellschaft geebnet werden sollte. Der Begriff „Bioökonomie“ beschreibt die wissensbasierte Erzeugung und Nutzung von biogenen Ressourcen (z.B. nachwachsenden Rohstoffen) zur Bereitstellung von Produkten, Verfahren und Dienstleistungen im Rahmen eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems. Hierfür ist besonders die vermehrte stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen von essentieller Bedeutung.
Die Bioökonomie hat zum Ziel, die Innovation, die Ressourceneffizienz und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Gesellschaft zu stärken. Darüber hinaus wird durch die Transformation des Wirtschaftssystems von fossilen Rohstoffen hin zu biogenen, nachwachsenden Ressourcen, aktiver Klimaschutz betrieben.
In Österreich gibt es eine Vielzahl an politischen Initiativen, welche sich im weiteren Sinne mit dem Thema biogener Ressourcen beschäftigen. Auf dem Gebiet der stofflichen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen ist die Klimaschutzinitiative „klimaaktiv“ seit Jahren ein wichtiges Kompetenznetzwerk. Im Zuge dieses von der Österreichischen Energieagentur – Austrian Energy Agency – geleiteten Programms entstand der vorliegende „Aktionsplan stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe – Auf dem Weg zur ressourcenschonenden und biobasierten Wirtschaft“. Dieser Aktionsplan vertieft die bereits bestehenden, wichtigen Initiativen (z.B. Ressourceneffizienz Aktionsplan, REAP) und leistet einen Beitrag, die Bioökonomie in Österreich verstärkt zu etablieren.
Der Aktionsplan ist als wichtige Vorarbeit für die österreichische Bioökonomie-Strategie und den Bioökonomie-Aktionsplan zu sehen.
Als Basis für den Aktionsplan dient eine profunde und detaillierte Analyse der Ist-Situation der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Österreich. Hierfür wurde u.a. ein Materialflussbild biogener Stoffströme in Österreich auf Basis verfügbarer statistischer Sekundärdaten erstellt. Neben der aufkommensseitigen Betrachtung der land- und forstwirtschaftlichen Produkte ist auch eine Auflistung der in der Branche tätigen Unternehmen, gegliedert nach Industriebetrieben und KMUs, enthalten. Zusätzlich zur Expertise aus klimaaktiv floss Know-how in Form von Experteninterviews und Unternehmensbefragungen in den Aktionsplan ein. Darauf aufbauend wurden für Österreich realistische Marktpotenziale für Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen definiert. Basierend auf der Erhebung der Ist-Situation erfolgte anschließend die Definition von sechs übergreifenden Aktionsfeldern, vier produktgruppenspezifischen Schwerpunktthemen und insgesamt 32 konkreten Maßnahmen zur Erreichung der realistischen Potenziale. Diese Handlungsempfehlungen betreffen sowohl die Rohstoffbereitstellung und Aufbereitung, als auch die Herstellung der Produkte und deren Markteinführung.
Die sechs themenübergreifenden Aktionsfelder sind:
- Sicherung der Nachhaltigkeit
- Standardisierung
- Information
- Öffentliches Auftragswesen
- Forschung und Entwicklung
- Sicherung der Rohstoffbasis unter Berücksichtigung einer ressourceneffizienten Kreislaufwirtschaft
Über die allgemeinen Aktionsfelder hinaus gibt es einen zusätzlichen Bedarf an konkreten, produktspezifischen Maßnahmen. Aus diesem Grund wurden in folgenden produktgruppenspezifischen Schwerpunktthemen zusätzliche Maßnahmen gesetzt:
- Biobasierte Werkstoffe
- Baustoffe und Baumaterialien
- Pflanzenölbasierte Produkte
- Sonstige Produkte aus regionalen Rohstoffen
Die in den genannten Aktionsfeldern und Schwerpunktthemen vorgeschlagenen Maßnahmen wurden in einem weiteren Schritt bewertet, um deren Nutzen sicherzustellen und derzeitige Entwicklungshemmnisse zu überwinden. Die Bewertung bezieht sich auf die Erreichung der definierten Marktpotenziale und erfolgte anhand der Kriterien Flächenverbrauch, CO2-Einsparung, Rohstoffverfügbarkeit, Technologiereife, Marktpotenzial, ökologische Produktoptimierung und hinsichtlich ihres Beitrages zur regionalen Wertschöpfung.
Die Bewertung des Flächenbedarfs ist wichtig, da die Anbaufläche für nachwachsende Rohstoffe nicht unbegrenzt verfügbar ist und Nutzungskonkurrenzen zur Nahrungsmittelproduktion – beispielsweise beim Anbau auf dem Ackerland – bestehen. Aus diesem Grund muss eine fachliche Diskussion über verfügbare Flächen geführt werden. Die in diesem Aktionsplan durchgeführten Untersuchungen machen deutlich, dass die derzeit noch geringe Bedeutung von innovativen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen jedoch nicht im Fehlen potenzieller Flächen zu sehen ist. Vielmehr sind andere Einflüsse wie beispielsweise fehlende Produktstandards und Zertifizierungen, mangelnde Information oder auch unzureichende Kommunikation von Umweltvorteilen als Entwicklungshemmnisse zu nennen. Bestimmte Bereiche wie die Nutzung von Holz oder Reststoffen sind von der Flächenkonkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion zudem nicht betroffen. Genau hier setzen die definierten Maßnahmen des Aktionsplans an. Diese stellen eine konkrete produkt- bzw. rohstoffspezifische Empfehlung dar, wie die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Österreich in realistischem Umfang forciert werden soll.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Bewertung ist, dass durch die vermehrte stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen – idealer Weise in Form von Nutzungskaskaden – nicht nur große Einsparungen an CO2-Emissionen und eine Minderung der Abhängigkeit von fossilen Importen erreicht werden kann, sondern auch, dass neue Wachstumsmärkte für die österreichische Wirtschaft erschlossen werden können. Wichtig ist neben der inländischen Verarbeitung zu Produkten auch die Nutzung von heimischen Rohstoffen aus der Land- und Forstwirtschaft. Die Abschätzung der Marktentwicklung erfolgte dabei mit Hilfe von Experteninterviews und einem Vergleich mit internationalen Studien und Prognosen. Wachstumschancen sind vor allem im Bereich der Biokunststoffe sowie der Bau- und Dämmstoffe zu sehen.
Mit Hilfe des vorliegenden Aktionsplans zur stofflichen Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wird somit eine konkrete Handlungsanleitung gegeben, wie der Weg Österreichs zu einer zukunftsfähigen, ressourcenschonenden und biobasierten Wirtschaft eingeschlagen werden kann. Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe des Aktionsplans die mannigfaltigen Vorteile, die die Transformation Österreichs zu einer „Bioökonomie“ mit sich bringt, in anschaulicher Art und Weise vermitteln. Mit diesen Mitteln soll die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich und seiner leistungsfähigen Land- und Forstwirtschaft nachhaltig gesichert werden.