Herr LAbg. Kasser, warum verfolgt die Region Amstetten eigentlich das Ziel, unabhängig von fossilen Energieträgern zu werden?
Ich habe persönlich nie verstanden warum wir fossile Energieträger importieren wenn wir in der Region Unmengen an Holz haben. Gerade in den südlichen Gegenden ist die Forstwirtschaft ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Im Bezirk Amstetten führen wir schon seit über zwanzig Jahren eine Heizkesseldatenbank, diese wurde ursprünglich als Maßnahme der Luftreinhaltung installiert. Heute ist sie ein wichtiger Faktor um qualitative Aussagen zur Raumwärmebereitstellung zu treffen. So erhält jede der 35 Gemeinden eine Auswertungen über die eingesetzten Energieträger im Bereich der Raumwärmebereitstellung, die dann auch in den Gemeindezeitungen publiziert wird. Wenn man jährlich schwarz auf weiß sieht, wie hoch der Anteil an fossilen Energieträgern ist, ist man als Bürgermeister, Gemeinderat aber auch als Bürger gefordert. Auch weil man spürt, dass es Menschen gibt, denen nicht egal ist wie wir mit Ressourcen umgehen. Im Rahmen der Klima- und Energie-Modellregion und seit Juli 2020 auch als KLAR! (Klimawandel Anpassungsregion), setzten wir natürlich eine Reihe von Maßnahmen um, die weit über den Themenbereich „Raumwärme“ hinausreichen.
Wie konnte klimaaktiv Missionzero die Bemühungen der KEM-Region Amstetten Süd unterstützen?
Missionzero war insofern positiv, als dass Augenmerk auf den Bereich „Raumwärme“ gelegt wurde. Klimaschutz hat viele Facetten aber über Heizungen zu sprechen ist wenig trendy, egal ob die in Wohnhäusern, Gewerbebetrieben und Unternehmen stehen. Dabei kann hier jede/jeder aktiv sein und einfache Maßnahmen setzten, wie Thermostate nachrüsten, einen hydraulischen Abgleich durchführen lassen oder die Heizungsregelung optimieren.
Welche Akteure haben Sie eingebunden? Gab es Widerstände?
Widerstände sind immer vorhanden wenn es bestehende Systeme umzustellen gilt. Unser Weg ist es, dass wir mit den öffentlichen Gebäuden als positives Beispiel vorangehen. Wir schaffen es glücklicherweise unsere Bürgermeister/innen und Gemeinderäte/innen zu überzeugen, hier aktiv zu sein. Finanziell ist eine Heizungsumstellung und Sanierung für alle Gemeinden eine Herausforderung aber hier gilt es nachhaltig und langfristig zu denken. Das geht nicht von heute auf morgen aber wir sind auf einem guten Weg. Wir weisen die höchste Dichte an Energiebuchhaltungs-Vorbildgemeinden in Niederösterreich auf. Man spürt die gesamte Region nimmt das Thema sehr ernst.
Meine Gemeinde Allhartsberg ist eine „Raus aus dem Öl“ Pilotgemeinde. Hier hat beispielsweise unser e5-Team das Gespräch mit jedem Ölheizungsbesitzer gesucht. Es war zu bemerken, dass einige Hauseigentümer sich bei diesem Thema bevormundet fühlen. Generell gilt es auch sozial verträgliche Übergangslösungen anzusetzen. Den dort wo Ölheizungen stehen, handelt es sich in der Regel um ältere Häuser und Hausbesitzer. Durch Beratungsgespräche und Unterstützung von „Erneuerbaren-Wärme-Coaches“ soll den betroffenen BürgerInnen der Umstieg auf Pellets oder Wärmepumpe möglichst einfach gemacht werden. Vor allem ältere oder einkommensschwache Haushalte schrecken vor dem organisatorischen und finanziellen Aufwand, der mit einem Wechsel des Heizungssystems verbunden ist, oft zurück.
Was läuft in der KEM-Region Amstetten Süd besonders gut und warum?
Die 19 Gemeinden der Region Amstetten Süd arbeiten schon immer eng zusammen. Vor Jahrhunderten hat die Eisenindustrie bereits zu engen Verflechtungen geführt. Auch die zunehmenden Veränderungen in den letzten Jahrzehnten - zuerst durch Industrialisierung, dann durch Restrukturierung und damit die Absiedelung von Produktionsstandorten - haben immer einen Schulterschluss zwischen den Gemeinden, der Bevölkerung und den regionalen Institutionen, gefordert.
Was sind Ihre Erfahrungen zum Kesseltausch „Raus aus dem Öl“? Was könnte man noch besser machen?
Als Umweltpolitiker geht es mir natürlich nie schnell genug mit der Umstellung auf Erneuerbare. Aber eine Heizung ist eine Anschaffung die – wenn sie einmal getätigt ist – aus den Augen aus dem Sinn, ist. Meine Erfahrung ist, dass Ölheizungen erst dann getauscht werden, wenn eine Haussanierung oder eine größere Heizungsreparatur ansteht. Aber ein Umdenken findet statt. Ich bin froh, dass wir in Niederösterreich mit dem „Raus aus dem Öl“ Bonus einen finanziellen Beitrag von bis zu 8.000 EUR anbieten.
Besser machen können wir noch viel. Allein, dass nur 37 % des Raumwärmebedarfs der Region Amstetten aus erneuerbaren Energieträgern stammen, zeigt den langen Weg der vor uns liegt.
Wie viel Heizöl konnten Sie bislang durch ihre Aktivitäten einsparen? Sind Sie mit diesen Ergebnissen zufrieden?
Zufrieden kann man erst sein wenn man als Gemeinde „Heizölfrei“ ist, was aber utopisch ist da eine Gemeinde kaum Steuerungsmöglichkeiten hat. Wir setzen mit vereinten Kräften auf Bewusstseinsbildung und entsprechende Maßnahmen in der gesamten Region. Das führt auch zu erfreulichen Zahlen. So sank die Anzahl der erfassten Öl-Zentralheizkessel in der KEM Amstetten Süd (19 Gemeinden) im Zeitraum 2008 bis 2018 um 1.090 Stück.
Die Aufteilung der verwendeten Brennstoffe und der erfassten Zentralheizungsanlagen der KEM Amstetten Süd zeigte im gleichen Zeitraum eine durchwegs positive Entwicklung in Richtung erneuerbarer Energieträger. So stieg der Anteil von Fernwärme/Hackgut Anlagen von 17 % auf 25 %. Auch Pelletsanlagen verzeichneten Zuwächse, während händisch beschickte Stückholzanlagen einen leichten Rückgang verzeichneten.
Welche generellen Empfehlungen haben Sie für andere Regionen?
Mitstreiter suchen, positive Beispiele vor den Vorhang holen, als Gemeinde mit gutem Beispiel voran gehen, das sind meiner Meinung nach die Hauptempfehlungen. Wichtig ist Überzeugungsarbeit, für die man einen langen Atem braucht. Und man muss mit Fingerspitzengefühl vorgehen, denn der Besitzer einer Ölheizung hat diese Entscheidung vor Jahrzehnten getroffen und die Umstellung kann man ihm nicht vorschreiben. Man kann sie nur mit guten Argumenten begleiten.
Wie schauen die mittelfristigen Ziele in Amstetten-Süd aus? Wie wird dieser Weg bestritten werden?
Wir werden weiterhin bewusstseinsbildende Maßnahmen durchführen, beispielsweise gab es einen Pop Up Stand im größten Einkaufszentrum. Unter dem Motto „Lass dir keine Märchen erzählen“ wurde humorvoll auf die Vorteile erneuerbarer (regionaler) Energieträger hingewiesen. Unsere jährliche Verleihung des „Energietrend“ ging unlängst an die „ölfreisten“ Gemeinden. Wir weisen auf Förderangebote hin, etc. Kurzum wir versuchen auf unterschiedliche Arten und Weise den Weg „Raus aus dem Öl“ zu thematisieren. Ziel ist es natürlich die Anzahl der Öl-Heizkessel weiter zu verringern und den Anteil Erneuerbarer im Bereich der Raumwärme zu erhöhen.
Die gegenwärtige Corona-Krise ist für viele Unternehmen eine existenzielle Bedrohung. Kann die Missionzero hier langfristig Zukunftsperspektiven bieten?
Die Covid-19 Pandemie ist unumstritten ein einschneidendes Ereignis und hat das gesellschaftliche und wirtschaftliche Miteinander in der Region erschüttert. Die Themen „Regionalität und Versorgungssicherheit“ haben eine große Aufmerksamkeit bekommen.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses Bewusstsein zu konkreten Taten führt, sowohl bei den Konsumenten aber auch bei den Anbietern. Langfristig ist die Steigerung der regionalen Wertschöpfung für alle Beteiligten ein Gewinn und wünschenswert. Die steigende Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln stimmt mich sehr positiv. Wir müssen aber auch sehen, dass, bedingt durch Borkenkäfer und Unwetterschäden, Unmengen Hackgut nicht verwertet werden, da der Import offensichtlich kostengünstiger ist.