In der Regel ist das Mobilitätsangebot verstärkt auf Personen ausgerichtet, die jung und gesund sind und sich in einer Vollzeitbeschäftigung befinden. Sehr oft entsprechen Männer eher diesem Bild als Frauen. Vielfach werden die speziellen Bedürfnisse nichtbinärer Menschen, mobilitätseingeschränkter Menschen und Menschen mit Versorgungsverpflichtungen dadurch nicht ausreichend berücksichtigt.
Care-Arbeit als Herausforderung für Mobilität
Frauen übernehmen nach wie vor den größten Teil der Care-Arbeit, also Aufgaben im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung, Haushaltsführung und Versorgung von Familienangehörigen. Damit einher gehen zahlreiche organisatorische Herausforderungen, wenn es um Fragen der Mobilität geht. Zwar sind Wege, die Frauen im Alltag zurücklegen, kürzer, allerdings muss eine größere Anzahl an Strecken miteinander verbunden werden. Neben der Fahrt zum Arbeitsplatz kommen Wege zum Kindergarten, Supermarkt, zur Apotheke oder zu diversen Freizeiteinrichtungen hinzu. Dies erfordert ein hohes Maß an Planung, vor allem in Begleitung von Kindern, älteren und oder mobilitätseingeschränkten Menschen und für den Transport von Lasten.
Bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sind es oft Barrieren beim Einstieg in Bim, Bus oder Bahn oder nicht funktionierende Aufzüge zum Bahnsteig, die die Freiheit der Reisenden enorm einschränken kann. Vor allem dann, wenn mehr Platz für Kinderwägen, Rollstühle oder schlichtweg Einkäufe benötigt wird.
Frauen fahren weniger Auto als Männer
Die Wahl des Verkehrsmittels unterliegt neben organisatorischen Herausforderungen und zeitlichen Ressourcen auch ökonomischen Faktoren. Bei der Ausgestaltung des Mobilitätsangebotes ist zu bedenken, dass Frauen weniger oft mit dem Auto fahren und dafür öfter zu Fuß gehen oder auf öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen. Das liegt zum großen Teil daran, dass Frauen öfter in Teilzeit arbeiten als Männer und bei gleichwertiger Arbeit auch weniger verdienen. Aktuell liegt die Teilzeitquote bei Frauen bei fast 50 Prozent. Damit sind diese auch abhängiger von leistbaren öffentlichen Verkehrsmitteln und einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur für das Zu-Fuß-Gehen und das Radfahren.
Gendergerechte Stadtplanung beeinflusst Verkehrsmittelwahl
Damit muskelbetriebene Mobilitätsformen genutzt werden, müssen die Stadt- und Ortsplanungsprozesse darauf abgestimmt sein. Das Konzept der „Stadt der kurzen Wege“ kreiert beispielsweise möglichst kurze Wegstrecken und schafft eine diverse Nutzung von unterschiedlichen Stadtteilen für Gewerbe-, Wohn- und Freizeitzwecke. Die Planungs- und Umsetzungsqualität von Rad-, Fußwegen und gemischt genutzten Verkehrsflächen wirken sich auf die Nutzung Aktiver Mobilitätsformen und auf die Sicherheit bei der Ausübung dieser direkt aus.
Die Orientierung an den Bedürfnissen der wenigsten Verkehrsteilnehmenden (Kinder und mobilitätseingeschränkte Personen) schafft in der Regel sichere, inklusive und umweltverträgliche Räume für alle Verkehrsteilnehmenden. Bauliche Maßnahmen zur Temporeduktion, das Schaffen guter Sicht- und Beleuchtungsverhältnisse, Querungshilfen und ausreichend breite Fuß- und Radwege mit guter Oberflächenqualität sind dabei kostengünstige und effektive Maßnahmen.
Für Frauen und vulnerable Gruppen können Haltestellen oder Wege zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ein Hindernis darstellen, wenn diese als Angsträume wahrgenommen werden. Daher müssen diese städtebaulich so ausgestaltet sein, dass speziell nachts kein Unsicherheitsgefühl entsteht und komplexe Wegeketten durch enge Taktung und entsprechende Verbindungen gut über den Tag verteilt möglich sind.
Eine gendergerechte Mobilitäts- und Ortsplanung berücksichtigt die Bedürfnisse aller Nutzer:innengruppen gleichermaßen und inkludiert diese in das Mobilitätsangebot und die entsprechende Infrastruktur.