Wer öfter mit dem Fahrrad in der Stadt unterwegs ist, trifft hin und wieder auf ein Einbahnschild mit der Zusatztafel „ausgenommen Radfahrer:in“. Das Radfahren gegen die Einbahn gehört zu den niederschwelligen und einfach umsetzbaren Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs. Radfahrende ersparen sich durch diese Maßnahme Umwege und erreichen bestimmte Ziele deutlich leichter. Dennoch wird die Maßnahme laut Daten der European Cyclists’ Federation nur sehr vereinzelt umgesetzt. Dabei ist die Regelung weitaus sicherer, denn es befähigt Radfahrende, gefährliche Straßen und Kreuzungen zu vermeiden.
Europa im Vergleich: Radfahren gegen die Einbahn
Die European Cyclists’ Federation (ECF) hat europaweit Daten erhoben und die Zahlen zum Radfahren gegen Einbahnstraßen verglichen. Österreich liegt hierbei unter den Top 3 Staaten in Europa.
Den größten Anteil an Einbahnstraßen, in denen Radfahren gegen die Einbahnstraße erlaubt ist, haben die Niederlande mit rund 56 Prozent, dicht gefolgt von Belgien mit rund 52 Prozent. Brüssel und der größte Teil Flanderns liegen dabei bereits über dem niederländischen Durchschnitt. Österreich liegt mit 33,6 Prozent im europäischen Spitzenfeld. Vor allem Wien, Graz und die Region Rheintal-Bodensee, aber auch Innsbruck und Klagenfurt-Villach stechen hervor: Visualisierung
Hier gibt es Ideen, um eine schnelle Umsetzung der Maßnahme zu ermöglichen und den administrativen Aufwand zu verringern.
Vereinfachungspotenzial bei der Implementierung
Der Weg zur „geöffneten“ Einbahnstraße ist in Österreich komplex. Für jeden zu öffnenden Straßenabschnitt muss eine eigene Verordnung von der zuständigen Behörde erlassen werden, die jeweils eine Prüfung der örtlichen Situation erfordert. Allerdings ist bei Straßen mit Tempo 30 das Radfahren gegen die Einbahn in der Regel gut umsetzbar.
Andere Länder machen es sich einfacher und kehren die „Beweislast“ um. Anstatt zu prüfen, ob eine Einbahnstraße für den Radverkehr in beiden Richtungen geeignet ist, wird dies grundsätzlich vermutet. Stellt sich dann heraus, dass es auf einzelnen Streckenabschnitten zu gefährlich ist, kann die zuständige Behörde mit ausreichender Begründung das Radfahren gegen die Einbahn verbieten. Nach diesem Prinzip wird seit 2016 auch in der Schweiz verfahren. In Frankreich gibt es diesen Ansatz seit 2010. Darüber hinaus sind alle Begegnungszonen für den Radverkehr grundsätzlich in beide Richtungen befahrbar.
In Belgien gibt es bereits seit 2002 eine generelle Regelung für die Öffnung von Einbahnen. Hier wird nach der Breite der Fahrbahn unterschieden. Ist diese weniger als 2,6 Meter breit, so ist kein Radfahren gegen die Einbahn vorgesehen. Zwischen 2,6 und 3 Metern kann die Möglichkeit geschaffen werden, ab einer Breite von 3 Metern ist Radfahren gegen die Einbahn verpflichtend zu verordnen.
Mehr Sicherheit durch guten Blickkontakt
In der Schweiz, in Frankreich und in Belgien gibt es langjährige Erfahrungen mit der generellen Möglichkeit, Einbahnen für den Radverkehr zu öffnen - aus Sicht der Verkehrssicherheit eine Erfolgsgeschichte. So wurde in Brüssel 2008 bis 2010 eine umfassende Evaluierung durchgeführt, die die Eignung der Maßnahme bestätigt und einige interessante Erkenntnisse lieferte.
So konnte allgemein keine Unfallhäufung durch Radfahren gegen die Einbahn festgestellt werden. In Relation zur Anzahl der Radfahrenden ist das Fahren gegen die Einbahn sogar etwas sicherer als das Radfahren mit der Einbahn. Im Begegnungsverkehr sehen sich Radfahrende und Kfz-Lenkende besonders gut.
Ein wesentlicher Punkt, um Radfahren gegen die Einbahn sicher zu machen, ist eine gute Kreuzungsgestaltung. Ein Großteil der Unfälle mit Radfahrenden, die gegen die Einbahn unterwegs waren, wurde durch Vorrangverletzungen im Kreuzungsbereich registriert. Hier ist also besonderes Augenmerk auf gute Sichtverhältnisse und eine klare Erkennbarkeit des Zweirichtung-Radverkehrs (Bodenmarkierungen, Hinweiszeichen) zu legen.
Die Breite der Fahrbahn spielt für die Sicherheit hingegen kaum eine Rolle. Auch auf schmalen Fahrbahnen funktionieren die Begegnungen zwischen Rad und Kfz allgemein gut. Grundbedingung sollte aber jedenfalls eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h sein. Was in großen Teilen des Nebenstraßennetzes bereits der Fall ist und auch weitere positive Aspekte wie etwa verminderte Unfallschwere und eine geringere Lärmentwicklung nach sich zieht