Eine Studie von Transport & Environment hat im Juli 2023 eine Studie über Steuerlücken im Luftverkehr veröffentlicht. Das rund 70-seitige Papier beantwortet die Frage, wie viel Einnahmen den Regierungen in Europa durch die mangelhafte Besteuerung des Luftverkehrs entgehen. Im Jahr 2022 waren es laut Berechnung rund 34,2 Milliarden Euro für Europa (EU27, UK, Norwegen, Island und Schweiz). Die größten Verluste hat das Vereinigte Königreich mit 5,5 Milliarden Euro, gefolgt von Frankreich mit 4,7 Mrd. Euro, Spanien mit 4,6 Mrd. Euro und Deutschland mit 4 Mrd. Euro. Bleiben diese Steuerlücken bestehen, werden für das Jahr 2025 entgangene Einnahmen von bis zu 47,1 Milliarden Euro erwartet.
Diese Werte setzen sich aus dem Emissionshandel, der derzeitigen Kraftstoffbesteuerung und der teilweise niedrigen oder nicht erhobenen Mehrwertsteuer zusammen.
Emissionshandel derzeit ineffizient
Seit 2005 setzt die Europäische Union das Emissionshandelssystem (ETS) als Instrument zum Klimaschutz ein. Der innereuropäische Luftverkehr nimmt seit 2012 daran teil. Die Funktionsweise des ETS ist schnell erklärt: Jede Fluggesellschaft muss am Ende der Periode eine Anzahl an Emissionsberechtigungen vorweisen können, die ihrem CO2-Verbrauch entsprechen. Eine begrenzte Anzahl von Emissionszertifikaten wird jedem Unternehmen kostenlos zugeteilt. Verbraucht die Fluggesellschaft mehr CO2, muss sie Emissionsrechte zukaufen, um Strafzahlungen zu vermeiden (Cap and Trade). Die Abrechnung erfolgt jährlich im März.
Langfristig soll dadurch ein Anreiz geschaffen werden, in klimafreundliche Technologien und Verfahren zu investieren, um in Zukunft keine Zertifikate mehr zukaufen zu müssen. Derzeit ist das System jedoch nicht effizient genug. Transport & Environment hat herausgefunden, dass im EU-Emissionshandel durchschnittlich 47 Prozent der von den Fluggesellschaften abgegebenen Zertifikate kostenlos waren. Im Schweizer System sind es sogar 62 Prozent, in Großbritannien 55 Prozent. Aufgrund des bestehenden Überangebots zahlen die Fluggesellschaften einen viel zu tiefen Preis.
Auch das Emissionshandelssystem Corsia für internationale Flüge wird in der Studie kritisiert, da es nicht dem Pariser Abkommen gerecht werde. Auf Druck der Branche wurde der Grenzwert zu großzügig angesetzt.
Kerosin weitgehend steuerfrei
Derzeit sind Norwegen und die Schweiz die einzigen europäischen Länder, die eine Kerosinsteuer erheben, wobei sich diese auf Inlandsflüge beschränkt. Inlandsflüge, die einen Anschlussflug an den internationalen Luftverkehr darstellen, sind allerdings auch in der Schweiz steuerbefreit. Der Anteil der Flüge, die überhaupt besteuert werden, ist damit sehr gering und daher vernachlässigbar.
Dies steht in völligem Gegensatz zur Besteuerung anderer Sektoren, wie beispielsweise des Straßenverkehrs, und ist daher schwer zu rechtfertigen. In der EU und dem Vereinigten Königreich zahlt man im Schnitt 54 Cent pro Liter Kraftstoff.
Mehrwertsteuer variiert stark
Der internationale Luftverkehr wird in ganz Europa von keinem Staat mit der Mehrwertsteuer besteuert. Inlandsflüge werden von den meisten Staaten besteuert, wobei beispielsweise in Frankreich und Schweden ein ermäßigter Steuersatz gilt. Fünf von 31 untersuchten Ländern besteuern Inlandsflüge überhaupt nicht - Zypern, Dänemark, Irland, Malta und das Vereinigte Königreich. Dadurch gehen erhebliche Einnahmen verloren.
Wer die Umwelt schädigt, zahlt - nach dem Verursacherprinzip
Das großzügige Steuerregime führt langfristig zu einer Zunahme an CO2-Emissionen. Die Stellschrauben Emissionshandel, Kraftstoffsteuer und Mehrwertsteuer werden nicht ausreichend genutzt, um die Kostenwahrheit widerzuspiegeln. Der Flugverkehr ist global für 2,5 Prozent aller Emissionen verantwortlich, hat aber derzeit keinen Anreiz, Maßnahmen zu setzen, um Emissionen zu sparen.
Gängige Praxis in der EU ist die Anwendung des Verursacherprinzips (Polluter Pays Principle), das von den OECD-Ländern entwickelt und anerkannt wurde. Aufgrund oben genannter Steuerprivilegien im Luftverkehr ist das Verursacherprinzip in diesem Bereich nicht ausreichend implementiert. Die Kosten tragen am Ende die Bürger:innen.