Wie Österreichs Wirtschaft durch Innovation und Unabhängigkeit gestärkt werden kann

Wolfgang Anzengruber, Vorstandsmitglied von CEOs FOR FUTURE und ehemaliger Vorstandsvorsitzender der VERBUND AG, erläutert im Interview, welche wirtschaftlichen Chancen der Klimaschutz in Österreich bietet und wie der Wandel zu einer resilienten Wirtschaft gelingen kann.

Österreich gibt derzeit jährlich 10 Milliarden Euro für Öl- und Gasimporte aus. Inwiefern könnte der Umstieg auf heimische erneuerbare Energien unsere lokale Wirtschaft stärken?

Die letzten beiden Jahre haben leider eindrucksvoll gezeigt, wie die Abhängigkeit von fossilen Energieimporten Österreichs Wirtschaft und Gesellschaft belastet. Wir müssen in den Ausbau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten im Strombereich investieren und gleichzeitig Energiepartnerschaften eingehen, um die Leitungsinfrastruktur zu entlasten. Wir sollten auch die Energieeffizienz durch eine intensive Elektrifizierung der Verbrauchssektoren, insbesondere der Mobilität, steigern. Durch den Einsatz von grünem Wasserstoff in den so genannten „hard to abate“-Sektoren - das sind zum Beispiel der Hochtemperaturbereich oder die Düngemittelindustrie - können wir die österreichische Wirtschaft langfristig unabhängiger machen. Damit reduzieren wir die Abhängigkeit und machen unsere Wirtschaft widerstandsfähiger.

Welche Chancen bietet Klimaschutz dem österreichischen Wirtschaftsstandort? Welche Bereiche könnten dabei besonders von Innovation und qualitativem Wachstum begünstigt werden?

Insbesondere die Bereiche Energiespeicherung und -verteilung sowie Digitalisierung können von Innovationen erheblich profitieren. Durch Investitionen in Energiespeicher im Wärme- und Strombereich beseitigen wir die Nachteile, die sich aus der Volatilität dieser Erzeugungsformen ergeben. Eine umfassende Digitalisierung hilft uns zudem, die Synchronisation zwischen Erzeugung und Verbrauch zu verbessern. Die Umsetzung all dieser Maßnahmen erfordert Investitionen sowie Forschung und Entwicklung und führt zu Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung.

Oft wird von Green Jobs gesprochen. Wie genau kann der Klimaschutz unseren Arbeitsmarkt positiv beeinflussen, insbesondere in Hinblick auf neue Berufsfelder und Qualifikationen?

Der Begriff „Green Jobs“ wird häufig verwendet, ist aber meines Erachtens unpräzise. Für die Umsetzung der Maßnahmen im Bereich der erneuerbaren Energien, der Energiespeicherung und der Digitalisierung werden spezialisierte Fachkräfte benötigt, die gezielt aus- und weitergebildet werden müssen. Damit entstehen neue Berufsfelder und Qualifikationen, die den Arbeitsmarkt positiv beeinflussen und stärken werden.

Die hohen Energiepreise waren ein zentrales Thema der letzten Jahre. Welche langfristigen Auswirkungen könnte die Energiewende auf die Energiepreise haben, und wie können Unternehmen und Haushalte davon profitieren?

Die dramatisch hohen und volatilen Strompreise der letzten Jahre haben gezeigt, dass das bestehende Merit-Order-Preismodell reformiert werden muss. Da das Modell in seiner jetzigen Form auf die Verfügbarkeit von Gaskraftwerken angewiesen ist, bleibt es anfällig für extreme Preisschwankungen. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien und eine höhere Versorgungssicherheit könnten diese Schwankungen deutlich reduziert werden. Ein marktwirtschaftliches, wettbewerbliches Preismodell ist aber nach wie vor sinnvoll.

Trotz vieler positiver Beispiele hält sich hartnäckig der Mythos, dass Klimaschutz der Wirtschaft schadet. Woher kommt diese Fehlwahrnehmung, und wie kann man dieses Missverständnis auflösen?

Klima- und Umweltschutz haben grundsätzlich keinen negativen Einfluss auf die Wirtschaft, im Gegenteil. Die Erfahrungen der Vergangenheit wie Rauchgasentschwefelung, Stickoxidminderung durch Katalysatoren, Abwasserreinigung oder das Verbot von verbleitem Benzin und fluoreszierenden Treibhausgasen haben eindrucksvoll gezeigt, dass Umwelt- und Klimaschutz sowohl der Gesellschaft als auch der Wirtschaft nützen. Im globalen Wettbewerb unserer Industrie ist es aber notwendig, umweltfeindliches Verhalten von Konkurrenten wirksam zu unterbinden. Ein Instrument ist u.a. ein globales Emissionshandelssystem, das gestärkt und verschärft werden muss. Darüber hinaus sind Instrumente wie Grenzausgleichszölle und „Klimaclubs“ der Willigen notwendig.

Wie können Unternehmen ihre Kommunikation verbessern, um diesen Mythos zu entkräften?

Unternehmen können dem Mythos entgegenwirken, indem sie ihre Umweltmaßnahmen und Zertifizierungen transparent kommunizieren. Eine ehrliche und gut sichtbare Produktzertifizierung kann dazu beitragen. Darüber hinaus ist es wichtig, erfolgreiche klimabewusste Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Davon gibt es viele - mehr als wir denken.

Veröffentlicht am 18.11.2024