Österreich macht sich sicher – mit eigener Energie!

Im Interview mit Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich, erfahren wir, wie erneuerbare Energien Österreich sicherer machen. Sie erklärt, wie das Land mit eigenen Energiequellen die Abhängigkeit von fossilen Importen und globalen Krisen überwinden kann.

Welche Rolle spielt der Ausbau erneuerbarer Energien für die Energiesicherheit Österreichs, insbesondere in Bezug auf die Unabhängigkeit von Energieimporten?

Es liegt in der Natur der Sache! Der Ausbau erneuerbarer Energie bedeutet auf eigene Energieressourcen zurückzugreifen, auf die Potenziale, die wir in Österreich haben. Je mehr wir unseren eigenen Bedarf an Strom und Wärme daraus decken, desto unabhängiger sind wir – von wem auch immer. Denn die Abhängigkeit von fragwürdigen Regimen und Autokratien wie Russland oder den arabischen Staaten kann sich besonders unangenehm bemerkbar machen, wie wir mit dem Überfallskrieg Russlands auf die Ukraine schmerzhaft erfahren mussten. Energie kann leicht zur Waffe und Österreich damit politisch erpressbar werden.

Es zählt aber auch und ganz besonders, dass Österreich sich von den Preisschwankungen an globalen Energiemärkten unabhängiger macht, wenn es seine Energie aus den eigenen erneuerbaren Quellen bezieht. Der Import von Öl, Gas und Kohle kostet Österreich Jahr für Jahr etwa 10 Milliarden Euro, 2022 waren es sogar fast 20 Milliarden. Dass ein Großteil dieses Geldes im Land bleiben könnte, um hier für Wertschöpfung und Investitionen zu sorgen, darf beim Thema Energiesicherheit nicht vergessen werden. Insgesamt geht es um Resilienz, also die Fähigkeit, Preisschocks und andere Krisen auszuhalten und sich an neue Bedingungen anzupassen. Theoretisch ist das nichts Neues, aber die jüngsten Erfahrungen haben uns den Wert der erneuerbaren Energien wieder einmal sehr deutlich gemacht.

Sehen Sie da bereits Fortschritte?

Natürlich gibt es hier Fortschritte. In Österreich haben wir mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz 2021 wichtige Weichen gestellt. Der Anteil erneuerbarer Energie am Stromverbrauch konnte so auf 92 Prozent im Jahr 2023 gesteigert werden. Insbesondere bei der Photovoltaik gab es einen Boom. Die installierte PV-Leistung hat sich ebenso wie die Leistung der PV-Batteriespeicher in den letzten fünf Jahren etwa verdreifacht.

Das Energiekrisenjahr 2022 war auch für die Wärmewende ein Turbo. Hohe Energiepreise und Unsicherheiten bei der Versorgung mit fossilen Energieträgern erhöhten den Wunsch vieler Kundinnen und Kunden, ihr fossiles Heizsystem so schnell wie möglich loszuwerden, und so wurden mit Hilfe des Förderprogramms „Raus aus Gas und Öl“ rund 80.000 Heizanlagen allein im Krisenjahr getauscht. 2024 wurde dieses Programm aufgestockt und mit großzügigen Fördersätzen ausgestattet.

Diese Entwicklungen sind aber zu verstetigen und die Dynamik sogar noch zu steigern, damit wir unsere Energie- und Klimaziele erreichen können. Dafür sind Förderungen wichtig, aber auch Gesetze.

Die letzten zwei Jahre waren von hoher Inflation und sprunghaft gestiegenen Energiepreisen geprägt. Inwiefern kann uns die Energiewende vor derartigen Preisschocks schützen?

Die sprunghaft angestiegenen Preise hatten eine ganz klare Ursache: den Überfallskrieg Russlands auf die Ukraine. Dieser führte zu einer Verunsicherung der Erdgasmärkte und zu massiven Preissteigerungen für Erdgas mit all den bekannten Konsequenzen im Strom- und Wärmebereich. Die Wurzel der unberechenbaren Preisentwicklung liegt also in der hohen Abhängigkeit von Erdgas, insbesondere zuletzt russischem Erdgas. Diese kritische Situation ist zudem mit einem inzwischen abnehmenden Gastransitvolumen durch Österreich gekoppelt (Deutschland und Italien werden verstärkt mittels LNG beliefert), sodass ein neuerlicher Anstieg der Endkundenpreise für fossiles Gas zu erwarten ist. Statt uns von derartig vielen Stellen abhängig zu machen, müssen wir uns in Österreich mit eigener Handlungsfähigkeit ausstatten. Das gelingt, wenn wir die Energieerzeugung selbst in die Hand nehmen und mit verlässlichen Partnern arbeiten.

In Österreich könnten wir den größten Teil unserer Energieversorgung auf Basis eigener erneuerbarer Ressourcen gewährleisten. Das bringt Preisstabilität, weil Österreichs Energieversorgung dann von der eigenen Produktion abhängt und die Regierung hier in Österreich die Rahmenbedingungen dafür schaffen und die Bevölkerung vor der Unberechenbarkeit fossiler Importe schützen kann. Dieser Effekt greift aber vor allem dann, wenn fossile Energieträger immer weiter aus dem Markt verdrängt werden. Beim Strom sollte das eigentlich mit dem Merit-Order-Prinzip möglich gemacht werden. Doch wenn teures Erdgas zu viel Anteil am Markt besitzt, dann wird es auch weiterhin den Strompreis bestimmen, so wie wir das in der Energiepreiskrise 2022 erlebt haben.

Und was wir außerdem nicht vergessen dürfen: Expertinnen und Experten erwarten eine Preissteigerung für Emissionszertifikate auf 150 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030, damit die Klimaziele bis dahin erreicht werden können. Das heißt Gas, Öl und Kohle werden so oder so immer teurer.

Kann ein Energiesystem auf Basis erneuerbarer Energien die Versorgungssicherheit in Österreich erhöhen?

Zu einer stabilen Versorgung auf Basis erneuerbarer Energie gehört nicht nur der Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch der Ausbau der Verteilinfrastruktur, der Speicher und eine zunehmende Flexibilisierung und Digitalisierung. Notwendig ist ein Mix aller Technologien zur Nutzung von Sonne, Wind, Wasser, Biomasse und Biogas sowie Geothermie. Im Zusammenspiel ihrer unterschiedlichen Charakteristik stärken sie die Versorgungssicherheit. Eine Speicherstrategie muss die kurzfristige aber auch saisonale Verlagerung von Energie sicherstellen. Die Energiewende braucht aber auch mehr Flexibilität in der Energieabnahme. Das kann etwa durch Preisanreize erzielt werden. Im Zusammenspiel von Erzeugung, Infrastruktur, Speicherung und Flexibilität entsteht ein resilientes, sicheres, preisstabiles und klimaneutrales Energieversorgungssystem. Dennoch werden wir in der Energieversorgung nicht zu einer Insel. Wir bleiben immer Teil eines europäischen Energiesystems.

Trotz vieler positiver Beispiele hört man manchmal den Mythos, dass die Energiewende Unsicherheiten mit sich bringen könnte, wie beispielsweise Blackouts. Was sind die Hauptursachen für diese Sorgen, und wie können sie entkräftet werden?

Der Begriff Blackout wird leider sehr oft falsch oder unvorsichtig gebraucht. Er bezeichnet den Zusammenbruch der Stromversorgung in einem größeren Gebiet. Manche haben vielleicht bei der Energiewende diese Sorge, weil Energiequellen wie Sonne und Wind volatil und nicht permanent beliebig verfügbar sind. Das heißt aber nicht, dass die Versorgung unberechenbar wird. Auch für PV- und Windstrom gibt es Prognosen, und im Zusammenspiel aller Technologien und - wie gesagt - mit einer modernen Infrastruktur, mit Speichern und mehr Flexibilität ist das System mindestens so sicher wie das aktuelle! Das zeigen auch zahlreiche Szenarien.

Veröffentlicht am 08.11.2024