Ihre Prognose Anfang des Jahres lautete: KI wird 2024 im Medien- und Kommunikationsbereich zum "New Normal". Was heißt das und wo stehen wir bereits?
Verena Krawarik: Die Verwendung von KI-Services zieht sich durch den gesamten Produktionsprozess von Medien. Beim Sourcing von Informationen spielt KI in der Strukturierung, Verschlagwortung und Analyse des Eingangsmaterials eine Rolle, wir sehen auch erste Befragungs-Bots. Im Bereich der Produktion wird der Einsatz von Transkriptionssoftware, automatisierte Übersetzungen und erste Anwendungen auf Basis von generativer KI wie etwa Lektorat oder zeichengenaues Kürzen State-of-the-Art. Auch die ersten Gehversuche mit synthetischen Stimmen im Radiobereich finden statt und KI generiertes Bildmaterial findet sich in vielen Angeboten. In der Distribution sind Empfehlungsalgorithmen und passgenaue Werbeplatzierung schon länger in Verwendung. Erste Experimente mit Chatbots zur Erschließung von Archiven und damit ein neues Nutzererlebnis in der Konsumation von Inhalten werden nicht mehr lange auf sich warten lassen. Eine gewisse Zurückhaltung ist bei KI generierten Texten zu spüren, das ureigenste journalistische Handwerk wollen sich die wenigsten nehmen lassen. Ich kann also sagen: KI ist angekommen und wird genutzt, allerdings oft noch sehr granular und abgekoppelt. Jetzt liegt es daran, KI in die Produktionswerkzeuge zu integrieren und da haben die meisten Medien noch ein Stück Arbeit vor sich. Hier geht es vor allem darum, diese Integration so zu begleiten, dass ein sinnvoller Prüfprozess der Redakteur:innen gewährleistet ist. An welcher Stelle in einer automatisierten Produktion muss der Mensch im Loop sein, wo kann ich der KI vertrauen? Das gilt es herauszufinden.
Bei KI im Kommunikationsbereich fällt zu aller erst der Begriff Chat-GPT. Welche Tools gibt es, die Klima-Kommunikator:innen die tägliche Arbeit erleichtern könnten?
Krawarik: Die APA hat im Rahmen ihrer Trusted AI Strategie eine Reihe von Lösungen entwickelt, die Kommunikator:innen unterstützen können. Zum einen schafft das vor kurzem gelaunchte News-Modul in den APA-Plattformen PR-Desk und NewsDesk einen einfachen Zugang zu klimarelevanten Inhalten quer über alle in Österreich verfügbaren Medien. Wer die APA-Klimaberichterstattung lieber gepusht bekommen möchte, kann die Klima-Medienbeobachtung abonnieren. Als Unterstützung für die Modifikation und Überprüfung von Texten steht der APA-Textassistant zur Verfügung. Unsere Transkriptionssoftware eignet sich auch zur Erstellung von Untertiteln in Videobeiträgen. Wer darüber nachdenkt, künftig sein Archiv zu befragen, probiert die APA Trusted AI Search aus. Darüberhinaus bietet die APA über den APA-Campus ein umfangreiches Schulungsangebot zum Thema AI, um das Wissen zu vertiefen.
Die APA hat 2022 eine Leitlinie zum Umgang mit künstlicher Intelligenz erarbeitet. Wie kann sichergestellt werden, dass KI-Lösungen vertrauenswürdig sind?
Krawarik: Die Erstellung einer Leitlinie ist der erste Schritt, um sich mit den komplexen Anforderungen aus dem kommenden EU AI Act zu beschäftigen. Je nachdem, ob ein Unternehmen KI als Anwender nutzt oder selbst eine Lösung anbieten will, müssen unterschiedliche Fragen beantwortet werden. Hier empfiehlt es sich, einen Sparringpartner am Board zu holen. Die APA hat als Kernelemente ihrer Trusted AI Strategie folgende Prinzipien formuliert: Sicherer Raum für Informationsverarbeitung, Kennzeichnung von KI-Inhalten, Produktsicherheit, Rückverfolgbarkeit, Nutzung von geprüften und validierten Daten und eine sorgfältige Auswahl von Basistechnologien.
Vor kurzem hat die APA das Projekt "Zukunftsbild: capturing the future. Visuelles Storytelling für Zukunftsthemen" gestartet. Worum geht es dabei?
Krawarik: Das Projekt, das im Rahmen der Wiener Medieninitiative der Wiener Wirtschaftsagentur gefördert wird, entwickelt ein neues visuelles Vokabular für die großen Jahrhunderthemen Klima und KI. Im Fokus stehen innovative, dokumentative und vertrauenswürdige Bilder, die beispielsweise den abgenutzten Klischees von Strandschönheiten als Symbol für Hitzewellen und Co entgegenstehen. Erste Themen- und Featurebilder sind bereits über den APA-Bilderdienst sowie über www.picturedesk.com abrufbar.
Welche Empfehlungen würden Sie Klima-Kommunikator:innen mit auf den Weg geben, wenn diese sich erstmals dem Thema KI widmen?
Krawarik: In der Kommunikationsarbeit AI-Washing vermeiden. Es ist genauso kontraproduktiv wie Greenwashing. Beim Einkauf von AI-Lösungen prüfen, mit welchen Modellen Anbieter arbeiten. Wer für jede Aufgabenstellung z.B. im Bereich der Generierung von Texten die größten verfügbaren Modelle nutzt, tut seinem ökologischen Fußabdruck nichts Gutes.
Wichtig ist es auch, Sorgfalt walten zu lassen bei der Verwendung von Unternehmensdaten. Diese dürfen nur in einer sicheren Informationsumgebung verarbeitet werden. Andernfalls lernt die KI mit vertraulichen Daten. Außerdem sollten keine korrekten Antworten von ChatGPT und Co erwartet werden und der Output immer überprüft werden. KI-Kompetenz lässt sich nur durch Anwendung erwerben. Deshalb: Kurse besuchen, mit Kolleg:innen austauschen und KI als Werkzeug schätzen lernen.