Seit 2016 beobachtet die Ö3-Jugendstudie die Einstellungen der jungen Menschen in Österreich. Welche wesentlichen Veränderungen im Umweltbewusstsein und im Engagement für den Klimaschutz wurden im Laufe der Jahre festgestellt?
Martina Zandonella: Umwelt und Klima haben während dieses Zeitraums an Bedeutung gewonnen: 2016 hat sich rund ein Drittel der jungen Menschen Sorgen um die Umwelt gemacht, 2021 waren es 45% und inzwischen bereitet der Klimawandel rund 60% von ihnen Sorge. Tatsächlich tragen die 16- bis 25-Jährigen einiges zum Klimaschutz bei: 62% kaufen Bio-Lebensmittel, 31% gebrauchte Smartphones und 27% Second-Hand-Kleidung. Mit rund einem Fünftel essen im Vergleich zu älteren Generationen auch deutlich mehr junge Menschen vegetarisch. Gleichzeitig bleibt vieles beim Alten, denn für die Mehrzahl gehören ein Auto, Flugreisen oder ein Einfamilienhaus ebenfalls zu ihrem Alltag bzw. ihrer Zukunft.
Die aktuelle Studie zeigt eine klare Forderung nach stärkeren politischen Rahmenbedingungen, während gleichzeitig individuelle Handlungen wie der Kauf von Bio-Produkten zunehmen. Wie sehen Sie das Zusammenspiel zwischen individueller Verantwortung und politischen Maßnahmen aus der Perspektive der Jugendlichen?
Zandonella: Im Spannungsfeld zwischen individuellem Handeln und strukturellem Rahmen sehen junge Menschen dringenden politischen Handlungsbedarf. Sie sind bereit, einen Beitrag zu leisten – und wie wir gesehen haben, tun sie dies auch. Die gesamte Verantwortung für das Abwenden der Klimakrise können – und wollen – sie aber nicht auf ihren Schultern tragen. In diesem Sinne soll die Politik dann auch etwas von dieser individuellen Last abnehmen und allgemeingültige Regeln aushandeln bzw. festlegen.
Ist jungen Menschen der Klimaschutz wichtiger als anderen Generationen?
Zandonella: Die Wichtigkeit von Klimaschutz ist weniger eine Frage des Alters als der finanziellen Lage: Je prekärer die Menschen arbeiten und leben, desto mehr sind sie mit akuter Existenzsicherung beschäftigt und desto weniger Raum haben sie, sich mit Darüberhinausgehendem zu befassen. Der Diskurs um einen Generationenkonflikt beim Klimathema führt daher auch am Problem vorbei: Er verfestigt Stereotype und übersieht, dass nicht alle jungen Menschen „klimafreundlich“ und nicht alle älteren Menschen „klimafeindlich“ sind – einer breiteren, gesellschaftlichen Solidarisierung steht dies im Weg.
In der Ö3-Jugendstudie geben viele junge Menschen an, dass sie sich durch politische Maßnahmen im Klimaschutz stärker unterstützt fühlen möchten. Welche Strategien in der Klimakommunikation halten Sie für besonders wirksam, um diese Zielgruppe zu erreichen und zu mobilisieren?
Zandonella: Für junge Menschen gilt: Das Thema und seine Dringlichkeit sind angekommen und die grundsätzliche Bereitschaft, einen Beitrag zu leisten, ist weiter verbreitet als in anderen Bevölkerungsgruppen. Was derzeit fehlt, ist ein Rahmen, der ihre Haltungen, Intentionen und Handlungen in ein größeres Ganzes einbettet. Dies betrifft die bereits angesprochenen politischen Entscheidungen, die unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensrealitäten die Wege aus der Klimakrise aufzeigen. Es geht aber auch um eine Art gemeinsame Zukunftserzählung, in der sich junge Menschen mit ihrer Bereitschaft und ihrem Beitrag wiederfinden können und aufgehoben fühlen.
Trotz der globalen Krisen zeigt die Studie, dass Jugendliche optimistisch in Bezug auf ihre persönliche Zukunft sind. Wie kann dieser Optimismus genutzt werden, um eine positive und proaktive Einstellung gegenüber dem Klimaschutz zu fördern? Sehen Sie Ansätze, wie man diesen Optimismus in der Klimakommunikation nutzen kann?
Zandonella: An dieser Stelle gilt es auch zu überlegen, wie junge Menschen stärker in Gestaltungs- und Entscheidungsprozesse einbezogen werden können. Dass sie mit ihrem Beitrag tatsächlich etwas bewirken können, denken nur wenige – deshalb fällt der Spalt zwischen dem Optimismus für das eigene Leben und dem Pessimismus für Österreich derzeit auch so groß aus.