Klima- und Umweltschutz ist vielen Konsument:innen ein großes Anliegen. Die Kehrseite des gestiegenen Umweltbewusstseins ist jedoch, dass Unternehmen Begriffe wie "nachhaltig", "grün" oder "klimaneutral" missbräuchlich und inflationär verwenden. So ergab eine Studie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2020, dass mehr als die Hälfte der untersuchten Produktversprechen “vage, irreführende oder unbegründete Informationen” enthielten und 40 Prozent keine Belege für ihre Nachhaltigkeitsaussagen lieferten.
Greenwashing, also falsche Nachhaltigkeitsversprechen, steht nicht nur der echten Transformation von Unternehmen im Weg, sondern birgt weitreichende Gefahren. Wiederholte irreführende Umweltbehauptungen lassen Verbraucher:innen und Investor:innen abstumpfen und schüren Skepsis gegenüber allen grünen Initiativen, selbst wenn diese legitim sind. Dies führt zu Zynismus, der echte, sinnvolle Umweltlösungen untergräbt und die Bemühungen nachhaltig handelnder Unternehmen entwertet. Scheinlösungen verzögern zudem die Umsetzung wirkungsvoller Maßnahmen und bremsen die klimafitte Transformation. Greenwashing setzt oft auf Marketingtricks und verschafft Unternehmen, die sich nicht an wissenschaftlich fundierte und transparente Nachhaltigkeitspraktiken halten, einen unfairen Vorteil. Daher ist es entscheidend, Greenwashing zu erkennen und zu vermeiden, um das Vertrauen der Stakeholder zu erhalten und echte Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit zu fördern.
Die sechs Gesichter des Greenwashing
Woran können Verbraucher:innen und Investor:innen Greenwashing nun konkret festmachen? Der gemeinnützige Think Tank The Planet Tracker hat dazu sechs Kategorien identifiziert.
- Beim Greencrowding schließen sich Unternehmen zusammen, um mit der Geschwindigkeit des Langsamsten bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen voranzukommen.
- Greenlighting beschreibt die Praxis von Unternehmen, kleine umweltfreundliche Merkmale ihrer Aktivitäten oder Produkte hervorzuheben, um von umweltschädlichen Praktiken abzulenken, wie etwa die Bitte in Hotelbadezimmern, Handtücher länger zu benutzen.
- Greenshifting trifft zu, wenn Unternehmen die Verantwortung für Nachhaltigkeit auf ihre Kund:innen abschieben. Ein besonders bekanntes Beispiel dafür ist der Fußabdruck-Rechner des Ölkonzenrs BP.
- Beim Green Labeling bezeichnen Unternehmen ihre Angebote mit selbst erfundenen und nicht extern geprüften Labels als umweltfreundlich oder nachhaltig.
- Green Rinsing bedeutet, dass Unternehmen ihre eigenen ESG-Ziele ändern, bevor sie diese erreicht haben.
- Greenhushing beschreibt die Praxis, Nachhaltigkeitsleistungen zu verbergen, um der Überprüfung durch Investor:innen zu entgehen.
Rechtliche Rahmenbedingungen gegen Greenwashing
Greenwashing wird sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene bekämpft: In Österreich gibt es seit 1984 das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG). Es ermöglicht rechtliche Schritte gegen bewusste Irreführung und Täuschung. Dieses Gesetz war auch die Grundlage für die Verurteilung der AUA und der Brauunion wegen Greenwashing.
Auf EU-Ebene sind noch weitere Regularien in Kraft:
- Die Taxonomie-Verordnung bietet ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Unternehmen müssen offenlegen, wie ihre Aktivitäten den festgelegten Umweltkriterien entsprechen, was die Vergleichbarkeit und Transparenz erhöht.
- Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erweitert die Berichtspflichten der Unternehmen und verlangt detaillierte Informationen über ihre Nachhaltigkeitspraktiken. Greenwashing kann so durch umfassende und überprüfbare Nachhaltigkeitsdaten verhindert werden.
- Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) verpflichtet Unternehmen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt in ihren Lieferketten. Damit soll sichergestellt werden, dass ihre Nachhaltigkeitsversprechen auch tatsächlich umgesetzt werden.
- Die Verbraucher-Richtlinie verpflichtet Unternehmen, klare und überprüfbare Informationen über die Umweltauswirkungen ihrer Produkte bereitzustellen. Unbegründete oder irreführende Umweltaussagen sind verboten, was die Verbraucher:innen vor Greenwashing schützt.
- Die Eco Design-Verordnung fördert die Entwicklung nachhaltiger Produkte, die langlebiger, reparierbarer und recyclingfähiger sind. Unternehmen müssen detaillierte Informationen über die Umweltverträglichkeit ihrer Produkte zur Verfügung stellen, was die Transparenz erhöht und Greenwashing verhindert.
Noch in Verhandlung ist die Green Claims Richtlinie, doch der aktuelle Entwurf sieht folgende Kernpunkte vor:
- Substantiierung: Umweltbezogene Aussagen müssen wissenschaftlich belegt und extern überprüft werden, z. B. durch unabhängige Studien, Lebenszyklusanalysen (LCA) oder den Umwelt-Fußabdruck (PEF).
- Transparente Kommunikation: Begleitinformationen zu Umweltclaims sind in physischer Form oder digital, etwa per Link oder QR-Code, zu veröffentlichen. Sie müssen die zugrundeliegenden Studien und Berechnungen enthalten.
- Standards für Siegel und Labels: Neue Umweltzeichen dürfen nur auf EU-Ebene entwickelt werden. Sie müssen transparente Informationen zu Ausstellern, Zielen und Kriterien bieten.
- Konformitätsprüfung: Umweltclaims und -siegel müssen von unabhängigen Stellen innerhalb von 30 Tagen zertifiziert werden, idealerweise unterstützt durch KI-gestützte Systeme.
- Sanktionen: Unternehmen haben 30 Tage Zeit, fehlerhafte Umweltangaben zu korrigieren. Andernfalls drohen Sanktionen von bis zu 4 % des Jahresumsatzes.
Vorteile transparenter Nachhaltigkeitskommunikation
Für Unternehmen sollte es aber nicht nur darum gehen, rechtliche Probleme zu vermeiden. Eine authentische Nachhaltigkeitskommunikation bringt in vielerlei Hinsicht Vorteile: Durch ehrliche und transparente Kommunikation wird das Vertrauen von Kund:innen, Investor:innen und anderen Stakeholdern gestärkt, während gleichzeitig der negative Ruf des Greenwashing vermieden wird. Glaubwürdige Kommunikation bietet zudem einen klaren Wettbewerbsvorteil, indem sie das Markenimage verbessert und die Marktposition stärkt. Umweltbewusste Konsumenten bevorzugen Marken, die echte Nachhaltigkeitsmaßnahmen umsetzen, was zu einer wertebasierten und langfristigen Kundenbindung führt. Auch die Mitarbeiterbindung profitiert davon: Mitarbeiter:innen identifizieren sich stärker mit einem Unternehmen, das seine Werte authentisch lebt, was ihre Zufriedenheit und Motivation erhöht. Schließlich gewinnt ein transparent kommunizierendes Unternehmen das Vertrauen von Investor:innen, die zunehmend auf ESG-Kriterien achten, und erhält dadurch bessere Finanzierungsmöglichkeiten.
Nachhaltigkeitsmaßnahmen authentisch kommunizieren – so geht’s:
Wie können Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen kommunizieren, ohne ins Greenwashing zu geraten? Entscheidend ist es, folgende Prinzipien zu beachten:
- Belegbarkeit: Umwelt- und klimabezogene Aussagen müssen wissenschaftlich fundiert, extern geprüft und durch weiterführende Informationen belegt sein.
- Transparenz: Wichtige Informationen dürfen nicht verschwiegen werden, und jede Bedingung oder Einschränkung einer Aussage sollte klar erläutert werden.
- Klarheit: Die Kommunikation sollte präzise, verständlich und frei von ungenauen oder irreführenden Begriffen sein.
Strategien für die Umsetzung
Das Planen, Umsetzen und Kommunizieren von Nachhaltigkeitsmaßnahmen ist ein Querschnittsthema in Organisationen. Hier einige bewährte Strategien:
✓ Schaffen Sie ein gemeinsames Verständnis zentraler Begriffe.
✓ Fördern Sie abteilungsübergreifende Zusammenarbeit.
✓ Planen Sie einen festen Gegencheck zwischen Marketing, Öffentlichkeitsarbeit und Fachabteilungen ein.
✓ Integrieren Sie Nachhaltigkeit als festen Bestandteil in Ihr Projektmanagement.
✓ Nutzen Sie Synergien innerhalb Ihrer Branche und tauschen Sie Lernerfahrungen aus.
Durch die Vermeidung von Greenwashing tragen Unternehmen nicht nur zur Verbesserung ihrer Reputation bei, sondern leisten auch einen wertvollen Beitrag zur gesellschaftlichen und ökologischen Transformation.
Katharina Benedetter ist Mitgründerin der Nachhaltigkeitsberatung Future Minds und des Vereins Hallo Klima!. Als zertifizierte Fachtrainerin und Business Coach begleitet sie ihre Kund:innen bei deren klimafitten Transformation. Authentische Klimakommunikation ist dabei ein zentrales Tool. Katharina arbeitet seit über 10 Jahren mit verschiedenen Zielgruppen im nationalen und internationalen Setting.
Johannes Naimer-Stach ist Klimaschützer aus Leidenschaft und Überzeugung. Seine umfassende Expertise, die er sich u.A. beim WWF, im internationalen Emissionshandel oder bei EIT Climate-KIC aufgebaut hat, setzt er gezielt ein um Unternehmen auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen. Gemeinsam mit Marion Zöchbauer hat er die Klimaschutzakademie gegründet.