Sie haben das Konzept der Sendung entwickelt. Welche inhaltlichen und kreativen Überlegungen haben Sie dabei geleitet und was hat Sie persönlich motiviert, sich dem Thema Klima zu widmen?
Gerhard Maier: Sozialisiert in der Bergwelt der Obersteiermark waren Natur und Umwelt für mich immer sehr persönliche Themen. Für die Dringlichkeit der Klimafrage wurde ich wie viele andere Journalist:innen aber erst mit den Klimakonferenzen von Paris oder Katowice so richtig sensibilisiert. Spätestens als Vater ließ mich das Thema nicht mehr los und ich begann mich autodidaktisch fortzubilden. Mit weiterer Expertise, auch im Rahmen des Oxford Climate Journalism Network, hielt ich immer mehr Klimafragen im medialen Diskurs für unterrepräsentiert. Es wuchs der Gedanke, ein Format zu entwickeln, das Orientierung bieten sollte und „blinde Flecken“ an klimarelevanten Themen stärker im Öffentlich-Rechtlichen verankert. „Klima kompakt“ in seiner ganzen Bandbreite – wöchentlich in 5, 6 Minuten.
Die überwärmten Meere waren noch vor eineinhalb Jahren kaum medienwirksam verstanden, die Problematik von unsichtbaren Methan-Bomben etwa kam massenmedial nicht vor. Die Energiewende ist meiner Meinung nach auch heute noch medial unterrepräsentiert, vor allem die zunehmenden Erfolgsgeschichten von exponentiell fallenden Kosten bis hin zu Energiegemeinschaften, die selbst von Expert:innen noch unterschätzt werden.
„Wir haben keine Zeit zu verzweifeln“, dieser Satz ist unlängst im Krisen-Podcast der ZEIT meiner beim K3-Preis mitnominierten Kolleg:innen Petra Pinzler und Stefan Schmitt gefallen. Das kann starker Antrieb und Motivation sein. Dem Thema durch oft ungewöhnlichere Zugänge die abstrakte Wissenschaftlichkeit zu nehmen war ebenso Ziel – auch abseits von immer katastrophaleren Extremwetterbildern. „Die Fakten sind zum Schreien – die meisten Leute wollen aber nicht angeschrien werden“. So bringt es RTL-Kollege Maik Meuser auf den Punkt. Hier eine gute Gradwanderung in der Kommunikation zu finden, bei all dieser Widersprüchlichkeit, sehe auch ich als Grundaufgabe. .
Wie reagieren die Zuschauer: innen auf die Sendung? Welche Themen und Inhalte lösen das größte Interesse oder die stärksten Reaktionen aus?
Maier: Besonders starke Reaktionen und Interesse gibt es bei Themen, die medial noch nicht so stark beleuchtet, nah am Alltag und den Menschen sind. Musikfestivals national wie international etwa, die daran gemessen und dabei beobachtet werden, wie sie künftig mit Wetter-Extremen umgehen. Der „Klima-Panzerabdruck“ von Kriegen ist auch etwas, das in Massenmedien kaum präsent ist. Am Ende des Tages ist vieles Thema der Bewusstseinsbildung, was da auf uns zukommt. Wirtschaftlich, aber auch sozial, im Alltag, im persönlichen Erleben. Konstruktive Lösungsansätze müssen neben dem Ernst der Lage stehen. Und das Thema Desinformation sorgt oft für große Aha-Momente: Desinformation – von Konzern-Greenwashing mit überhöhten, teils völlig absurden Klima-Erfolgsgeschichten bis hin zu Lobbying im Schatten. Kann man Querverbindungen bieten und hinter die Kulissen blicken, bleibt nicht nur dem Publikum oft der Mund offen stehen..
Mit Beiträgen, bei denen Klima drübersteht, erreicht man sehr oft die „üblichen Verdächtigen“. Wie gelingt es Ihnen, aus dieser Blase rauszukommen?
Maier: Über den jüngeren Mainstream-Sender ORF1 gelangen Seherinnen und Seher, die vielleicht nicht so klimaaffin sind - zwischen Spielfilmen, Serien, Sport oder TV-Events - eher zufälllig und damit automatisch an die Sendung. Dann gilt es mit Ideen Aufmerksamkeit und Interesse zu halten. Das kann unterschiedlich sein: Sind es Themen sehr nah am persönlichen Erleben? Sind es packende Aha-Momente, die man so noch nicht hatte – eine Gesamtheit an weltweiten Bränden als BIG PICTURE etwa, mit DEM Brandexperten schlechthin? Sind es Themen wie Photovoltaik an ungewöhnlichen Orten oder Batteriespeicher, also Themen der Erneuerbaren, die in ihrer Geschwindigkeit immer wieder überraschen? Es sind vor allem auch neue Bilder und Phänomene, die Interesse wecken und als Erklär-Modul dienen können: Winter-Trockenheit etwa, das Versiegen von Hausbrunnen, klimabedingte Immobilen-Blasen, leere Regale im Supermarkt aufgrund von Dürre in Europas „Gemüsegarten“, Trockenheit von Wirtschaftsadern wie dem Panamakanal, Auswirkungen von Waldbränden auf die gewohnte Wirtschaft – bis hin zu „wann werden wir in Zukunft Ski-Rennen fahren, wohl eher später im Jahr“?
Alles, was unser gewohntes systemisches Leben mittelfristig in Frage stellt, herausfordert, die Dimension der nötigen Transformation erahnen lässt und zum Denken anregt, sind meiner Meinung nach Themen, die immer auf Interesse stoßen. Der Run auf Fachkräfte und die Umstellung von Berufsschulen geht sehr tief ins Systemische.
Ganz wichtig finde ich auch, Menschen in ihrem Alltag ernst zu nehmen: All die Hürden müssen thematisiert werden - etwa Bürokratie von gestern in einer sich dramatisch verändernden Welt. Wie gelingt eine Erdwärmepumpe in einem Altbau mit veralteten Vorschriften? Auch digitale oder technische Innovationen wie das Vermeiden von Kondensstreifen mittels KI können erst mal jene abholen, die für das Thema sonst nicht zu haben wären. Als Beipacktext werden dann das eigentliche Problem und die Hürden der Technik erklärt.
Klimaschutz und Klimapolitik sind mittlerweile gesellschaftlich hoch relevante Themen. Welche Rolle spielt der öffentlich-rechtliche Rundfunk dabei?
Maier: Der öffentliche Rundfunk ist tragende Säule jeder Demokratie. Wenn man sich auf grundlegende Fakten nicht mehr verständigen kann, geht unserem Zusammenleben die Gesprächs- und Verhandlungsbasis verloren. Der ORF hat also wie jeder Öffentlich-Rechtliche die Verantwortung, unsre Gesellschaft über die Risiken, die am Horizont dräuen, zu informieren. Sie betreffen beim Überbegriff „Klima“ so viele unterschiedliche Bereiche: von Gesundheit über Wirtschaft und wichtigen Ökosystemen bis hin zu Sicherheit oder geopolitischen Konflikten, die wiederum konkret den Zusammenhalt, die Demokratie bedrohen können. Für den öffentlichen Rundfunk ist die Klimafrage aber auch eine Gradwanderung: wie kommuniziert man das Thema, ohne wichtige Seherschichten, die das Thema für übertrieben, Panikmache, Agitation halten, nicht zu verlieren? Wie gelingt die nötige große Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft, ohne die Demokratie zu erschüttern?
Wie kann gesellschaftlicher Wandel, aber auch wirtschaftliche Dynamik gelingen – und wie begleitet man das medial? Wie kann man den Ernst der Lage schildern, ohne die Menschen bloß zu verängstigen, sondern konstruktiv und lösungsorientiert zum Aufbruch zu motivieren? Das sind die großen Fragen. Eine klare Vision und Guidelines, die Rekakteur:innen bei dieser Aufgabe entlasten, wären von Vorteil.
Gibt es Pläne, wie das ZIB Magazin Klima weiterentwickelt werden könnte? Welche Trends in der Klimaberichterstattung werden dabei eine Rolle spielen, und worauf können sich die Zuseher in Zukunft freuen?
Maier: Derzeit gibt es keine aktuellen Pläne. Persönlich glaube ich, dass das Wort „Klima“ medial künftig zumindest im Titel durch einen weniger polarisierenden Begriff ersetzt werden wird. „Zukunft” wird hier vielfach bespielt. Die AgenceFrancePresse hat einen Head Future of the Planet. Arnold Schwarzenegger plädiert als Begriffsersatz auch, statt „climate“- „pollution“ zu verwenden. Ich bin mir auch sicher, dass vor allem der investigative Klimajournalismus zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, weil es immer öfter um beträchtliche Schäden geht, die früher schlicht nicht beachtet und eingepreist wurden. Es wird öfter ums Eingemachte gehen - und viel datenbezogener werden. OpenData ist in vielen journalistischen Bereichen Thema. Das ClimateCentre des Roten Kreuzes ist hier auch gute Anlaufstelle. Auch Satelliten-Aufnahmen selbst werden bildlich eine immer größere Rolle spielen, um den Menschen unsre Lage zu erklären. Insofern wäre auch ein längeres Magazin - das Gegenwarts-Themen zunehmend als BIG PICTURE über den so wichtigen längeren Zeitraum sieht – ein Gewinn. Zukunftsfragen, die für uns alle von entscheidender Bedeutung sind.
Sie haben bereits viele Beiträge gestaltet oder moderiert. Welcher Beitrag hat Sie besonders berührt oder herausgefordert, und warum?
Maier: In meiner Arbeit, aber auch im persönlichen Erleben, bin ich meist dann besonders berührt, wenn die nächste Generation, unsre Kinder ins Spiel kommen. „Wie spricht man mit Kindern über das Klimaproblem?“ war ein psychologischer Beitrag des ZIB Magazin KLIMA. Mich persönlich verfolgt das oft, wenn ich Kinder-Lexika vorlese, in denen noch Fakten, Tiere, Lebensräume gelistet sind, von denen absehbar ist, dass sie wohl so nicht mehr lange stimmen bzw. unbeschadet existieren können. Und das macht einfach traurig, weil sich die Frage stellt, ob man einem Kind diese Wahrheit bereits zumuten kann. Die ständige Konfrontation mit diesem Thema, also die kontinuierliche Arbeit daran, kann selbst zur psychologischen Herausforderung werden.