Sanierung und Erweiterung Justizgebäude Salzburg

Nicht nur der Balanceakt zwischen Modernisierung, Denkmalpflege und Klimaschutz ist gelungen: Das Salzburger Justizzentrum wurde zu einem neuen öffentlichen Ort für die Stadt.

  • Bauherrschaft: BIG Bundesimmobiliengesellschaft m.b.H.
  • Architektur: Franz & Sue ZT GmbH
  • Fachplanung: KPPK Ziviltechniker GmbH (Bauphysik), Zentraplan Planungsges.mbH (Haustechnik), rajek barosch landschaftsarchitektur

Längst steht es unter Denkmalschutz, doch schon ehe das Landesgerichtsgebäude unterhalb des Nonnbergs vor hundert Jahren in Betrieb ging, war es Ziel heftiger Kritik aus der Fachwelt. Auf Ablehnung stießen sowohl der nicht mehr als zeitgemäß erachtete behäbige Historismus des Bauwerks wie auch dessen Dimension, die als dem Stadtbild nicht zuträglich beurteilt wurden.

Es handelt sich um ein Spätwerk des Architekten Alexander Wielemans, der mit dem Auftrag für den Justizpalast in Wien seine Selbständigkeit begründete und sich mit weiteren Bauten in Graz, Olmütz und Brünn den Ruf eines Spezialisten für Gerichtsgebäude erarbeitete. Die aus Gerichtsgebäude und Gefangenenhaus bestehende unregelmäßige Vierflügelanlage mit neobarocker Schaufassade repräsentierte den Verwaltungsapparat der sich damals bereits in der Krise befindlichen Habsburgermonarchie. Erweiterungsbauten ab den 1960er-Jahren verstärkten die Unübersichtlichkeit des hierarchisch strukturierten Blocks. Danach geschah in baulicher Hinsicht wenig. Erst die Absiedlung der Strafanstalt nach Puch-Urstein gab schließlich den Weg frei für eine räumliche Neuorganisation.

Geschickte und elegante Lösung

Dem Justizgebäude den autoritären, hermetischen Charakter zu nehmen und es mit der Umgebung zu verzahnen lautete das Ziel von Franz&Sue, die 2012 den EU-weit ausgelobten Wettbewerb für sich entscheiden konnten. Sie befreiten mit Zustimmung des Denkmalamtes den Hof von zwei Gefängnistrakten und den späteren Einbauten, um sie durch eine neue Y-förmige Spange zu ersetzen. Die Längsseiten des Bestands verbindend, nimmt das neue Implantat den Zugang, die Servicestelle und die neuen Verhandlungsräume auf und ermöglicht eine übersichtliche Erschließung des gesamten Komplexes auf kurzen Wegen. Als Verteilergelenk fungiert das helle Atrium, das alle Geschoße vertikal miteinander verbindet und eine gute Orientierung im Gebäude ermöglicht.

„Transparent und offen, so wie wir uns die Gerichtsbarkeit in einer Demokratie vorstellen“, beabsichtigte das Architekturteam, das Gebäude anzulegen und tatsächlich gelang es ihm, auch den Bestand von jeglicher bedrückenden Atmosphäre zu befreien. Die Übergänge zwischen den Bauteilen gestalten sich harmonisch, wozu auch die Geometrie des richtungsneutralen Verlegemusters des Terrazzobodens beiträgt, der sich durch alle Erschließungsbereiche zieht und nur farblich – schwarz im Neubau, rot im Altbau – differiert.

Offen und durchlässig präsentiert sich der einst hermetisch geschlossene Baublock auch zur Stadt. Zugänge an allen Seiten verknüpfen den Hof mit dem Stadtraum rundum, nehmen dem Gebäude den Festungscharakter und erschließen – auch für die raschere Erreichbarkeit des Gerichtes untertags – wichtige, neue fußläufige Verbindungsachsen. Noch viel mehr als die Transparenzsymbolik der Glasfassaden ist es dieses architekturgewordene Verständnis von Gericht als öffentlichem Raum, das den Justizpalast aus der Monarchie in der Demokratie und Gegenwart ankommen lässt. Das auch für Besucherinnen und Besucher zugängliche Dachcafé mit Blick auf die Festung ist da nur noch das Schlagobershäubchen obendrauf.

Gold für Sanierung

Gesunde Raumluft, der Einsatz ökologischer Baustoffe, energieeffizienter Betrieb sowie die Betrachtung der Lebenszykluskosten sind bei der BIG Handlungsfelder von hoher Priorität, die sie auch bei diesem aufwändigen Projekt nicht vernachlässigte. Zunächst sei eine klimaaktiv-Deklarierung aufgrund des denkmalgeschützten Bestandes nicht intendiert gewesen, gesteht Franz Wechselberger, Projektleiter der BIG. Im Zuge der Umsetzung des Holistic Building Program, das die BIG entwickelt hat, um die Nachhaltigkeit ihrer Gebäude gezielt steuern und dokumentieren zu können, habe sich jedoch herausgestellt, dass die verlangten Kriterien durchaus zu erfüllen sind. Schließlich erreichte erstmals ein Bundesgebäude unter Denkmalschutz klimaaktiv Gold für die Sanierung.

Unglaublich hohe Anforderungen galt es in drei Jahren Planungszeit und der ebenso langen Bauzeit zu erfüllen und zu koordinieren. Angesichts der Komplexität der Aufgaben nicht auf halbem Weg zu kapitulieren und das Projekt gut durch die Unwägbarkeiten des Bauablaufes ins Ziel zu bringen, erforderte ein hohes Maß an Professionalität. So stellte sich heraus, dass die von Wielemans entwickelten Eisenbeton-Kassettendecken statisch nicht mehr verantwortbar waren. Nur dank akribischer Untersuchungen und aufwändiger Ertüchtigungsmaßnahmen in Form einer Entkoppelung vom darüberliegenden Bodenaufbau gelang es, sie zu erhalten. Zum Beispiel im Großen Schwurgerichtssaal. Dieser präsentiert sich nun vorbildlich in allen Details wiederhergestellt, wobei neue technische Ausrüstung wie zusätzliche Beleuchtung und die unter den Sitzbänken verborgene Lüftungsanlage mit Bedacht integriert wurde.

Fakten

  • Gebäudetyp: Sanierung Bürogebäude, Umbau und Erweiterung der denkmalgeschützten Zelltrakte in ein Verwaltungsgebäude
  • Fertigstellung: 2018
  • Konditionierte BGF: Sanierung 15.750 m², Neubau 7.978 m²
  • Energiekennzahlen Sanierung (OIB 2011): Heizwärmebedarf 9,22 kWh/m³a Primärenergiebedarf 185,34 kWh/m²BGFa
    CO2-Emissionen 23,31 kg/m²BGFa
  • Versorgungstechnik: Fernwärme, kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung in den Verhandlungssälen
  • Besonderes: großzügige Innenhöfe und Dachcafé
  • Baustoffe: Massivbau mit neuen Stahlbetonteilen und alten Holztramdecken, PVC-freie Baustoffe, umfassendes Produktmanagement
  • Qualitätssicherung: Blower Door Test, Energieverbrauchsmonitoring, Messung der Innenraumluftqualität
  • Gebäudebewertung: klimaaktiv Gold (Sanierung im Denkmalschutz), klimaaktiv Silber (Neubau)
Veröffentlicht am 30.09.2019