Zeit und Ort: 04.05.2022, Palais Niederösterreich, Herrengasse 13, 1010 Wien
Kreislaufwirtschaft: Bedarf – Strategien – Vernetzung
Ein besonderer Fokus liegt auch auf der Vorstellung unterschiedlicher Möglichkeiten zur Forschungsfinanzierung für Unternehmen und Forschungseinrichtungen.
Die Bedeutung der Kooperation zwischen Wissenschaft, Politik und Praxis für die Ernährungswirtschaft sowie Ernährungssicherheit
"Landwirtschaft ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft" so der stellvertretende Vorstand des Institutes für Bodenforschung an der Universität für Bodenkultur Wien, Martin Gerzabek. "Wir leben in einer Übergangszeit zwischen industrieller und digitaler Revolution – Eine Zeit rasend schneller Veränderungen."
Die BOKU sieht ihre Aufgabe bei der Transformation immer größerer Informationsmengen in Wissen, denn "Wissen ist in Kontext gesetzte Information". Am Beispiel der Landwirtschaft wird die Notwendigkeit zur Digitalisierung für die Steuerung komplexer Prozesse besonders deutlich. Die Antragsforschung in der Agrar- und Ernährungswissenschaft wurde daher seit 2014 mit 34,4 Mio. € konsequent gefördert, vornehmlich Projekte zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion, nachwachsenden Rohstoffen, neuen Technologien, Ökosystemmanagement und Biodiversität. Zu nennen sind hier auch die Waldfonds-Projekte mit 25 erfolgreichen Anträgen und einem Fördervolumen von 10,8 Mio. €. Die intensive Forschung, innovative Lehre und Interaktion mit der Gesellschaft in den Lebenswissenschaften sind die Basis für Land- und Forstwirtschaft sowie der Lebensmitteltechnologie und Biotechnologie 4.0 – Dabei ist die enge Zusammenarbeit von Academia und Praxis in unterschiedlichsten Formaten für die Umsetzung des Green Deal entscheidend. "Die Digitalisierung in Kombination mit der Bioökonomie hat große Chancen".
Petra Winter, Rektorin der Veterinärmedizin Wien, stellte die traditionellen Kernaufgaben der Vetmeduni zur Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen für das Wohlbefinden von Tieren, zur Gewährleistung der Sicherheit von Lebensmitteln tierischer Herkunft sowie zum Schutz des Menschen, natürlicher Ökosysteme und der Artenvielfalt vor. Der Leitgedanke der kollaborativen, multisektoralen und transdisziplinären Initiative One Health ist die prinzipielle Verbundenheit von Mensch, Tier und Umwelt, deren Erhalt und Gesundheit nachhaltig und effektiv nur im globalen Kontext gesehen und erschöpfend gewährleistet werden kann.
Die Zirkularisierung zur Erhaltung der In- und Outputs bei gleichzeitiger Reduktion der Rohstoffzufuhr, beispielsweise durch Precision (Livestock) Farming und die Vermeidung des Einsatzes von Antibiotika durch die Aktivierung des tiereigenen Mikrobioms seien wichtige Maßnahmen, aber "Biologische Kreisläufe haben auch ihre Risiken" – Denkt man an die Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Menschen und vice versa durch sogenannten Zoonosen. Die Sinnhaftigkeit und Alternativlosigkeit der Kreislaufwirtschaft stünde dabei völlig außer Frage, so Frau Petra Winter, eine erfolgreiche Umsetzung sei jedoch nur mit der entsprechenden vorausgreifenden und begleitenden Risiko- und Sicherheitsforschung möglich.
Weitere Themen der Konferenz: Kreislaufwirtschaft aus ökosozialer Sicht (Hans Mayrhofer, Generalsekretär des Ökosozialen Forums Österreich & Europa)
„Kreislaufwirtschaft“ – Forschungsbedarf aus Sicht der Länder (Max Hiegelsberger, Landtagspräsident & Obmann des Ökosozialen Forums Oberösterreich)
Durch Vernetzung von Wissenschaft und Praxis Herausforderungen meistern und Kreisläufe schließen (Christoph Metzker, Vorstandsdirektor der Raiffeisen Ware Austria)
Workshop-Themenfelder „Perspektiven der Kreislaufwirtschaft zur nachhaltigen Nutzung von Biomasse aus der Primärproduktion“
In den Workshops wurde die Nutzung von Biomasse als industrieller Rohstoff, also die stoffliche Nutzung, aber auch als Nahrung für den Menschen in vier Gruppen zu je neun bis 12 Expert:innen diskutiert, um relevante Forschungsbedarfe aus Sicht der Wissenschaft, Politik und Praxis zu identifizieren und dazu besonders geeignete Forschungseinrichtungen für die Beforschung sowie mögliche Synergien zu ermitteln.
Workshop 1 – Biomasse als Nahrung für den Menschen: Nachhaltige Ernährungssysteme transformieren essbare und nicht-essbare Biomasse aus der Landwirtschaft und weiteren Bereichen der Primärproduktion (z. B. Aquakultur) in hochwertige Lebensmittel. Ziel ist Low Input – High Output entlang des gesamten Produktions- und Verarbeitungsnetzwerks unter maximaler Schonung von Ressourcen und höchster Effizienz – bis hin zur energetischen Verwertung als finalen Schritt des Stoffkreislaufes.
Workshop 2 – Stoffliche Nutzung von Biomasse als industrielle Rohstoffe: Nachhaltige Stoffnutzungssysteme transformieren Biomasse (z. B. Holz, Ackerfrüchte, Grünland) in universell verwendbare Ausgangsmaterialen für industrielle Zwecke (z. B. recycelbare Baumaterialien, aber auch biobasierte Kunststoffe). Ziel ist die möglichst lange Erhaltung der stofflichen Natur der Biomasse unter maximaler Schonung von Ressourcen und höchster Effizienz – bis hin zur energetischen Verwertung als finalen Schritt des Stoffkreislaufes.
Podiumsdiskussion – Möglichkeiten zur Forschungsfinanzierung im Bereich Agrar- und Forstwissenschaft
In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden Möglichkeiten zur Forschungsfinanzierung durch Vertreter:innen der Christian Doppler Forschungsgesellschaft (CDG), Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft (AWS), der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) sowie der Sektion Steuerungen und Services des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) vorgestellt und diskutiert.
"Nur 9 % der europäischen KMUs beschäftigen sich bewusst mit den Intellectual Property Rights (IPRs) zur Sicherung ihres geistigen Eigentums" so Frau Edeltraud Stiftinger von der AWS zum Thema Technologietransfer und dem notwendigen Schutz von Know-how.
Die CDG Labors verstehen sich als "Ermöglicher, nicht Verhinderer" des Zusammenwirkens von Forschung und Wirtschaft, indem gezielt Unternehmensförderung angeboten wird, die auch NGOs wie Ärzte ohne Grenzen als Partner:innen nicht ausschließt. "Letztlich ist immer der Mehrwert für die Unternehmung entscheidend" so Martin Gerzabek, Präsident der CDG. "Das meiste Potenzial besteht für die Themenschwerpunkte Digitalisierung und AI im Bereich der Life Sciences."
"Wir fördern klima- und umweltrelevante Projekte mit 150 Mio. €, was circa 25 % des gesamten FFG Fördervolumens entspricht. Das klingt vielleicht wenig, aber dieser Betrag hat sich in den letzten Jahren bereits vervierfacht. Der Trend hin zu Kreislaufprojekten ist also klar ersichtlich." so Emmanuel Glenck, Bereichsleiter Thematische Programme der FFG.
"Ziel ist der langfristige Ausbau von Know-how z. B. durch Stiftungsprofessuren. Es geht uns um die Förderung angewandter Forschung […] und die Kreislaufwirtschaft wird sich nur dann durchsetzen lassen, wenn die Gesellschaft diese Transformation mit trägt und neue Geschäftsmodelle annimmt und auch Einsparungen akzeptiert." so Robert Pichler vom BMLRT.
Hans Mayrhofer, Generalsekretär des Ökosozialen Forums Österreich & Europa, folgert in der Danksagung: "Die Bedarfe sind heute klar geworden – Lücken in den Kreisläufen sollen geschlossen werden. Für den aktiven Wissenstransfer wollen und müssen wir aber zunächst Brücken zwischen Wissenssilos schließen."
Relevante Referenzen und Hinweise: