Nach Jahrzehnten der Klimaforschung liegen die Fakten auf dem Tisch. Trotzdem stoßen wir in den Medien, in Wortmeldungen, online-Kommentaren und sogar in der eigenen Familie auf Falschmeldungen, welche die Klimakrise, den Handlungsbedarf und konkrete Klimaschutz-Maßnahmen in Frage stellen.
1. Desinformation und Verzögerung erkennen
Die klassische Leugnung des Klimawandels hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. An ihre Stelle sind so genannte Verzögerungsdiskurse ("Discourses of Climate Delay") und Desinformationsstrategien gegen Klimaschutz-Maßnahmen getreten. Diese zielen eben nicht mehr (nur) darauf ab, die Klimakrise zu leugnen, sondern ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen und wissenschaftlich anerkannte Lösungen zu verhindern.
Zu den am häufigsten eingesetzten Mitteln der Desinformation gehören, neben falschen Informationen, auch Pseudo-Expert:innen, logische Trugschlüsse, Ad-hominem-Attacken, unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei und Verschwörungstheorien (siehe Grundkurs Desinformation). Mögliche Beispiele reichen hier von Falschaussagen wie "der aktuelle Klimawandel ist nicht menschengemacht", oder einem Univ.-Professor (für Geschichte) als Pseudoexperten zum Thema "gesundheitschädliche Gefährdung durch Windrad-Infraschall", bis zu untergriffigen Attacken gegen die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg.
Im Gegensatz zu Desinformation haben Verzögerungsdiskurse oft einen potenziell wahren Kern, der als Ausrede dafür genutzt wird, weshalb wir jetzt doch nicht (mehr) handeln müssen. Bekannte Beispiele für derartige Argumentationsmuster sind "Zuerst muss China etwas tun", "Es ist alles schon zu spät" oder "Es wird nur mit völlig neuen Innovationen klappen". In Bezug auf Verzögerung wurden die wichtigsten Ausreden von klimafakten.de identifiziert:
- „Nicht ich“: Verantwortung an andere abschieben
- „Nicht jetzt“: schwache Maßnahmen predigen
- „Nicht so“: Nachteile von Maßnahmen betonen
- „Zu spät“: vorschnell kapitulieren
2. Proaktiv kommunizieren
Bevor irreführende Informationen verbreitet werden, können wir proaktiv dagegen „impfen“: Wir verbreiten korrekte Informationen und warnen vor möglichen Kampagnen, die diese in Frage stellen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Menschen wissen, wie Desinformations- und Verzögerungsstrategien funktionieren, desto weniger Menschen fallen darauf herein.
3. Effizienz prüfen
Widersprechen kann anstrengend sein und wertvolle Ressourcen kosten. Bevor wir uns auf eine Auseinandersetzung einlassen, sollten wir daher prüfen, ob es sich lohnt: Wie festgefahren ist mein Gegenüber? Welchen Schaden kann er oder sie anrichten? Wer liest oder hört mit und profitiert von meinen Argumenten?
4. Falschinformationen mit dem "Truth-Sandwich" kontern
Sind Falschinformationen bereits im Umlauf, ist es nicht ratsam, diese völlig zu ignorieren. Wichtig ist jedoch, die richtige Botschaft klar in den Vordergrund zu stellen, vor Manipulation zu warnen und keine logischen Lücken offen zu lassen. Falsche Botschaften sollten möglichst nicht wiederholt werden, da sie sich sonst verfestigen. Stattdessen können wir sie in ein „Truth-Sandwich“ verpacken.
Beispiel: "Das Klima hat sich schon immer verändert" 1. Richtige Information ins Zentrum stellen: "Die rasanten klimatischen Veränderungen, die wir derzeit erleben, sind nur durch menschliche Einflüsse erklärbar." 2. Kurz erklären, dass es sich um eine Desinformation handelt: "Gegner:innen von Klimaschutzmaßnahmen behaupten nicht selten, dass sich das Klima schon immer geändert hat und der aktuelle Klimawandel daher nicht menschengemacht ist." 3. Darlegen, warum diese nicht (mehr) zutrifft: "Die Behauptung, die Erwärmung der Erde habe eine andere Ursache, etwa die Sonnenaktivität, die Erdachse oder Ähnliches, ist von der Wissenschaft vielfach widerlegt worden. Alle natürlichen Mechanismen wurden gut erforscht." 4. Richtige Information zusammenfassen: "Heute sind es die von Menschen verursachten Treibhausgase, die unseren Planeten aufheizen." |
5. Verzögerungsargumente wirksam entkräften
Auch bei Verzögerungsargumenten können wir Schritt für Schritt vorgehen.
Beispiel: "Österreich ist so klein. Global gesehen können wir ja nichts ausrichten." 1. Auf einer positiven emotionalen Ebene ins Gespräch einsteigen: "Du hast nicht ganz unrecht, es gibt tatsächlich größere Emittenten als Österreich." 2. Neuen Blickwinkel ins Spiel bringen: Viele Klimaschutzmaßnahmen machen für uns aber auch unabhängig von der CO2-Reduktion Sinn. Der Ausstieg aus Öl- und Gasimporten macht Österreich unabhängig - grüne Technologien sind wichtige Zukunftsmärkte und schaffen Jobs. |
6. Trollen keine Bühne bieten
In den sozialen Medien verbreiten sich Desinformationskampagnen besonders schnell. Hier ist es wichtig, unter User:innen ein breites Bewusstsein für den Umgang mit zweifelhaften Inhalten zu schaffen und so genannten Internet-Trollen möglichst keine Plattform zu geben ("don’t feed the trolls"). Dazu reicht es aus, sie zu ignorieren oder ruhig, neutral und höflich eine kurze, klare Korrektur für mitlesende Dritte vorzunehmen und beispielsweise einen Link zu einem Faktencheck oder einer Infografik zu posten. Auf keinen Fall sollte man sich über sie lustig machen, gegen sie gewinnen wollen oder anderweitig emotional reagieren.
7. Im persönlichen Gespräch: Keine Faktenschlachten
Wir Menschen bilden uns unsere Meinung meist intuitiv und suchen erst dann nach Argumenten, die sie rechtfertigen. Die Widerlegung von Argumenten führt selten dazu, dass wir unsere Meinung tatsächlich ändern.
In Diskussionen sollten wir daher nicht erwarten, dass „das perfekte Argument“ tatsächlich überzeugt. Vielmehr sollten wir versuchen zu verstehen, warum unser Gegenüber so denkt: Welche Ängste und Sorgen schwingen mit? Auf welchen Annahmen beruht die Aussage? Statt im Gespräch gewinnen zu wollen, sollten wir viele Fragen stellen, empathisch zuhören und unserem Gegenüber Raum geben, seine Gefühle auszudrücken und die eigene Haltung zu reflektieren.
Weiterführende Informationen
Für alle, die sich intensiver mit dem richtigen Umgang mit Desinformation und Verzögerung beschäftigen wollen, ist das Handbuch "Widerlegen, aber richtig" zu empfehlen, das in einer Zusammenarbeit von 20 renommierten Universitäten entstanden ist. Eine ungewöhnliche Aufbereitung von Desinformationsstrategien bietet auch die Online-Satirefigur „Cranky Uncle“ des Wissenschafters und Karikaturisten John Cook, die die Welt launisch aus der Sicht eines Klima- und Wissenschaftsleugners betrachtet. Auf Klimafakten finden Sie ebenfalls eine beeindruckende und stets aktuelle Sammlung von Fakten rund um die gängigsten Klima-Mythen. Für fundiertes Wissen rund um die heiß diskutierten Fragen der Energie- und Mobilitätswende bieten die Österreichische Energieagentur und klimaaktiv den Crashkurs Klima & Energie und der Klima- und Energiefonds den Faktencheck Energiewende an.